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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Gelände gerollt war, kehrte ich zum Haus zurück. Elisabeth saß mit Frank und dem Doc am Personaltisch. Sie erhob sich, als sie mich eintreten sah, holte eine weitere Tasse und goss mir Tee ein, tat einen großen Schluck aus der Flasche Legendario Elixir de Cuba, die in der Mitte des Tischs stand, dazu und sagte: »Du musst etwas essen.«
    Â»Wo ist Ania?«
    Â»Sie hat den Zehn-Uhr-Zug genommen.«
    Â 
    Ich weiß nicht mehr, wann ich meinen Vater und Manu verständigte, geschweige denn, was wir in den Tagen vor der Beerdigung gesprochen oder getan haben. Elisabeth organisierte alles, was zu organisieren war, der Doc stand ihr zur Seite. Frank half, wenn es etwas zu tragen oder zu räumen gab, wartete abends in seiner Hütte, ohne tags darauf ein Wort darüber zu verlieren, dass ich wieder nicht gekommen war. Ich ging meistens spazieren.
    Â 
    Der Pfarrer konnte es nicht lassen, von »Lebenswerk« und einem »Original« zu sprechen, was auch immer das heißen mochte. Halb Halsung war gekommen, dazu eine Menge Leute, die ich noch nie gesehen hatte. Die meisten schüttelten Elisabeth die Hand, einige weinten.
    Als der Sarg über dem offenen Grab schwebte, nahm Frank einen Zettel aus seiner Jacketttasche, faltete ihn auseinander.
Jetzt bloß nichts Selbstempfundenes, dachte ich, nur keinen Brief an eine tote Freundin oder Ähnliches, und machte mich auf das blödsinnigste Geschwafel gefasst.
    Â»Rot …« Frank räusperte sich, Elisabeths Gesicht flog ruckartig zu ihm herum.
    Â»Rot ist der Abend auf der Insel von Palau,
    und die Schatten sinken …«
    Seine Stimme passte ausgezeichnet zu diesem Gedicht.
    Ich ging fort, noch während er am Vorlesen war, ließ die Pforte zum Friedhof offen stehen, als würden mir die anderen unmittelbar folgen wollen, schimpfte auf eine Welt voller gefühlsduseliger Idioten und heulte Rotz und Wasser.
    Â»Die Stunde des sterbenden Blau«, hatte Ruth am Tag vor ihrem Tod vor sich hin gemurmelt, nachdem ich ihr die Morphiumdosis eigenmächtig erhöht hatte, »die Stunde des sterbenden Blau«, immer wieder. Sie hatte nach meiner Hand gegriffen: »Katia, das Blau!«
    Â»Ist gut, Tante, wir finden die grünen Kleckse darin, die Inseln. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Danach war sie für die nächsten Stunden eingeschlafen.
    Â 
    Ruth war bereits mehrere Monate tot, Elisabeth längst wieder in Wien zuhause, als der Brief vom Doc mit der gleichen Post wie das Schreiben vom Notar ankam. Ich las die letzten Zeilen schon im Stehen, ließ das Papier fallen, packte den Rucksack und warf mit dem Notizbuch auch das Sturmfeuerzeug hinein.
    Franks Hütte hatten sie schon platt gemacht, als ich ankam.
    Eine Planierraupe stand gelb und stumm im Weg.
    Ich setzte mich in den letzten noch stehenden Strandkorb, machte ein paar Fotos, schaute auf die See. Irgendwann muss ich eingeschlafen sein.

    Als der Abend heraufdämmerte, bin ich ins Haus gegangen. Der Schlüssel lag noch immer unter dem großen Kiesel, wo Elisabeth ihn für mich deponiert hatte. Die Hintertür klemmte ein wenig, der Strom war abgeschaltet, drinnen roch es nach kaltem Rauch und Katzenpisse. Die Vorhänge waren größtenteils noch vorhanden, trocken und leicht entflammbar, wie die Tante jeden neuen Gast gewarnt hatte.
    Ich warf meine letzte Zigarette in die Sommersuite.
    Dann ging ich bis zur Bank am Strandpfad, setzte mich hin, machte noch einige Fotos, wartete.
    Gegen Mitternacht rief ich die Feuerwehr.
    Â 
    An diesem Montagmorgen würden sie die Maschinen nicht anwerfen, die Eisenkugel würde den ganzen Tag nutzlos in der Sonne baumeln, vom Ruß geschwärzt, ihrer Arbeit beraubt. Sie würden sie vielleicht reinigen müssen, bevor sie sie andernorts wieder einsetzen konnten, aber wen interessierte es schon, ob eine Abrissbirne sauber war?
    Â 
    Â»Was schreiben Sie?«, fragte ein Feuerwehrmann, »sind Sie von der Presse?«
    Â»Nein«, sagte ich, »nein, ich wohne hier.«
    Der Krankenwagen, der nicht benötigt worden war, fuhr gerade vom Gelände, nur ein Polizeiauto und das letzte große Löschfahrzeug standen noch da. Hinter mir öffnete jemand zischend eine Getränkebüchse, verhaltenes Männergelächter erklang zwischen ernsteren Tönen.
    Der Hauptmann näherte sich, stellte sich vor und bat, ich möge noch bleiben, »für ein paar Fragen«, sagte

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