Das Model und der Scheich
droht euch?“ Desirée ließ ihre Freundin los und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Was fällt ihm ein?“, rief sie.
„Ich kann nichts dafür …“
„Natürlich nicht. Könntest du vielleicht mit deinem Onkel Khaled reden?“ Onkel Khaled war der jüngere Bruder von Samihas Vater und seit dessen Tod so etwas wie das Haupt der Großfamilie. Und er war Salihs Vater.
„Daran habe ich auch schon gedacht. Aber er und Tante Arwa sind sehr angetan von der Vorstellung, dass Salih und ich heiraten. Wenn ich mich also an ihn wende, könnte das ins Auge gehen … Ach, Des, wenn du doch vor Ort wärst und dich für mich umhören könntest!“
Samiha verstummte und sog scharf die Luft ein. „Allah! Ich hab’s! Ich hab’s!“, rief sie. „Onkel Khaleds Ausgrabungen!“
4. KAPITEL
Nachdem die Dienerin sie bis an den Fuß einer Außentreppe begleitet hatte, stieg Desirée die Stufen zu einer Terrasse hinter der Palastkuppel hinauf.
Oben angekommen, betrachtete sie hingerissen die Aussicht, die sich ihr darbot.
Gerade versank die Sonne blutrot am Horizont. Die letzten Strahlen vergoldeten die Bergspitzen und tauchten den Himmel in kräftige, fast violette Farben.
Unten in der Stadt gingen die ersten Lichter an. Sie sah aus wie ein mit Edelsteinen bestreuter Teppich, der durch den gewundenen Fluss unterbrochen war. Als es dunkler wurde, spiegelte der von Bäumen gesäumte Strom die unzähligen Lichtquellen an seinem Ufer wider.
Desirée atmete tief ein und genoss die unvergleichliche Stimmung.
Doch das war nicht alles. Vorn am Geländer stand Salih und blickte ebenfalls über die Stadt. Wie magisch fühlte sie sich zu ihm hingezogen, als er sich Desirée zuwandte und ihr in die Augen sah. Schritt für Schritt ging sie auf ihn zu.
Sofort fiel ihm auf, dass sie ihr schulterlanges Haar jetzt offen trug.
Sie war in hellblaue Seide gekleidet, die die Farbe ihrer Augen in ein leuchtendes Türkis verwandelte. Das eng anliegende Top brachte die makellose Haut von Hals und Dekolleté zur Geltung und ließ den Ansatz ihrer Brüste erkennen.
Ihre herrlichen Beine wurden von einer weit geschnittenen Hose umspielt, die bei jedem Schritt Desirées vollkommene Figur erahnen ließ.
Gegen die beginnende Kühle der Nacht trug sie eine rot und golden bestickte Jacke mit hochgestelltem Kragen. Hals- und Ohrschmuck bestanden aus goldgefassten Amethysten.
Goldfarbene Riemchensandalen rundeten das Ensemble ab.
Doch am meisten faszinierten Salih die unvergleichlichen blauen Augen, die Desirées eigentliche Schönheit ausmachten. Einst hatte er durch ihre Klarheit bis auf den Grund ihrer Seele geblickt.
Wie unschuldig, fast kindlich das Gesicht mit den klassisch geformten Wangenknochen und schön geschwungenen Augenbrauen wirkte! Der volle sinnliche Mund stand dazu in einem bezaubernden Gegensatz.
Genau wie vor zehn Jahren: Die Augen machten den Eindruck, als ob Desirée von ihrer atemberaubenden erotischen Ausstrahlung nicht das Geringste ahnte.
Damals, wenn sie ihn angesehen hatte, war noch etwas anderes in ihrem Blick gewesen: Lebensfreude, Hingabe und Liebe. Nur ihm, ihm allein, hatten diese Gefühle gegolten. Nie hätte er gedacht, dass je jemand anderes sehen würde, was ihm allein gehörte.
Falsch gedacht. Denn es folgte die Ausbeutung für x-beliebige Werbezwecke.
Nur: In zehn Jahren hatte er nie wieder vergleichbare Schönheit zu Gesicht bekommen.
Allerdings war er inzwischen klug genug, nicht mehr darauf hereinzufallen. Er war erwachsen und wusste sich zu schützen.
Heute Abend wirkte sie zurückhaltend, ja distanziert. Doch in ihren Augen las er noch etwas anderes …
Sie machte ihm etwas vor! Nur was? Er würde es schon noch herausfinden.
„Guten Abend, Desi.“ Er versuchte, kühl zu klingen.
Statt der Kefije, Kaftan und Burnus trug er nun eine helle weite Baumwollhose und darüber ein Hemd, das fast bis zu den Knien reichte. Diese traditionelle Kleidung wurde Salwar Kamiz genannt.
Über der Brust war das Hemd ziemlich weit offen, und die hochgekrempelten Ärmel ließen die kraftvollen gebräunten Unterarme sehen.
Auf seinen schwarzen Locken spielten die letzten Strahlen der sinkenden Sonne.
Ohne Kopfbedeckung erschien er ihr weniger fremd. Aufmerksam betrachtete sie sein hartes Gesicht, um in ihm vielleicht doch noch die unverbrauchten Züge des Jugendlichen wiederzufinden, den sie so unsterblich geliebt hatte.
Ob auch er sie im Stillen mit dem naiven Mädchen verglich, das sie damals
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