Das Multiversum 3 Ursprung
nahm im Erdorbit Gestalt an.
Während er sich abkühlte, verfestigte er sich zu einem Schwarm winziger Körper. Und dann bildeten sich Spiralarme in der glü-
henden Mond-Wolke aus. Es war ein erstaunlicher und ästhetischer Anblick.
»Das ist die Geburtsstunde des Monds«, sagte Nemoto. »Der größte dieser kleinen Himmelskörper machte das Rennen. Der wachsende Mond fing die restlichen Partikel ein und setzte sich unter dem Einfluss von Gezeitenkräften schnell von der Erde ab.
Die Erde selbst wurde zwischenzeitlich von starken Erdbeben und 615
Wolkenbrüchen heimgesucht, als der Wasserdampf des Urmeers kondensierte. Es dauerte Millionen Jahre, bis das Gestein sich so weit abgekühlt hatte, dass sich wieder flüssiges Wasser zu sammeln vermochte.«
»Sie sind in dieser Materie ziemlich bewandert, Nemoto.«
Nemoto wandte ihr das Gesicht zu, das im Widerschein des Glü-
hens der ungestümen Erdentstehung lag. »Vor ein paar Monaten ist ein neuer Mond am Erdhimmel erschienen. Ich sagte mir, das sei vielleicht von Bedeutung.«
Emma warf einen Blick auf Mane. Der Daimon ruhte mit den Knöcheln auf der Unsichtbarkeit. Die Augen waren geschlossen und das Gesicht war ausdruckslos. Julia hatte die Augen auch geschlossen.
»Was sehen sie?«, fragte sie Nemoto flüsternd. »Was hören sie?«
»Vielleicht mehr als dieses ›populärwissenschaftliche‹ Diorama.
Manekato sagte, dieser Ort, dieser Tunnel in den Mond sei infor-mationshaltig. Julia ist so intelligent wie wir, aber eben auf eine andere Art. Und Manekato ist noch intelligenter. Ich weiß nicht, wie groß ihr Begriffsvermögen ist und wie weit sie über unseren Horizont hinauszuschauen vermögen.«
»He! Was ist denn mit der Erde passiert?«
Der glühende, verwüstete Planet war auseinandergeflogen. Bruchstücke der Abbildung hatten sich in der ganzen Kammer verteilt – wo sie sich zu neuen Erden und neuen Monden verdichteten. Zu einer ganzen Familie. Sie hingen wie blaue, rote und gelbe Weih-nachtsbaum-Kugeln in der Kammer, wobei jeder Körper von einer eigenen indirekten Sonne angestrahlt wurde.
Andere Erden:
Emma sah eine einzelne dicke Welt mit gelben Wolken-Bändern.
Und da war noch eine wolkengestreifte Welt, nur dass die Wolken um einen Punkt am Äquator wirbelten – nein, die Welt war so 616
geneigt, dass ihre Achse wie beim Uranus (oder war es Neptun?) auf die Sonne wies.
Hier war eine Erde wie die Venus mit einer geschlossenen dichten Wolkendecke, die gelb-weiß glühte.
Dort war eine Welt mit einem dicken wolkenumhüllten Mond, die sich in nächster Nähe zu befinden schien. Diese Erde wurde von vulkanischen Wolken marmoriert. Eiskappen gab es nicht, und die unidentifizierbaren Kontinente wurden von leuchtenden Fäden durchzogen, bei denen es sich um mächtige Ströme handeln musste. Diese Welt musste von starken Tiden aus Luft, Wasser und Gestein heimgesucht werden, die vom allzu nahen Trabanten ausgelöst wurden.
Die meisten Erden schienen die ungefähre Größe der Erde zu haben – der Erde, Emmas Erde. Aber ein paar waren kleiner: Verschrumpelte Welten, die sie an den Mars erinnerten, mit großen Kontinenten aus blutrotem Gestein und ausgedehnten Wasserreservoirs an den Polen. Diese monströsen Planeten waren durchweg in dichte, trübe Atmosphären gehüllt und ertranken förmlich in Meeren. In Wassermassen, die sich von einem Pol zum andern erstreckten und aus denen nur ein paar erodierte Atolle ragten, die in einer tief vergrabenen Kruste verwurzelt waren.
Die Monde unterschieden sich ebenfalls. Es schien ein ganzes Spektrum möglicher Monde zu geben. Die kleinsten bestanden aus kahlem grauem Gestein wie Luna, die etwas größeren aus krater-
übersäten roten Steinwüsten und muteten mehr oder weniger wie der Mars an. Ein paar waren beinahe erdähnlich und mit dichten Atmosphären, Eis und schimmernden Meeren ausgestattet. Emma sah, dass es auch Erden mit zwei und sogar drei Monden gab.
Und eine Eis-Erde wurde nicht einmal von einem Mond umlaufen, sondern von einem glühenden Ring-System wie Saturn.
Emma hielt, allerdings vergebens, Ausschau nach einer blauen Erde mit einem einzigen, bescheidenen grauen Mond.
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»Der Big Whack- Zusammenstoß formte Erde und Mond«, murmelte Nemoto. »Alle Eigenschaften der Erde und des Monds – Achsneigung, Zusammensetzung, Atmosphäre, Länge der Tage, sogar die Umlaufbahn der Erde um die Sonne – wurden durch den Einschlag bestimmt. Aber es hätte auch anders kommen
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