Das Mysterium der Zeit
Buchhändler wollte fortfahren. »Ach ja: Die Thesen des Alhazen waren so erfolgreich, dass man ihn den Zweiten Ptolemäus taufte. Zu jener Zeit vertraten die meisten Philosophen des Islam bereits die Lehre des Aristoteles, des »Meisters der Wissenden«. Sie wurde von der sogenannten peripatetischen Schule gelehrt, derselben, die auch einige Griechen, wie Sosigenes und Xenarchos, schließlich gegen die Astronomie des Ptolemäus entwickelt hatten.«
Schon bald, erklärte Hardouin, fielen die Würfel: Die arabischen Peripatetiker, Anhänger von Aristoteles, begannen einen erbitterten Kampf gegen die Lehren des
Almagest
. Sie folgten der aristotelischen Theorie, der zufolge der Himmel aus exakt ineinandergefügten konzentrischen Kreisen besteht. Diese Kreise bildeten eine himmlische Apparatur, die sich von den besten arabischen Handwerkern wunderbar aus Holz, Marmor und kostbaren Metallen formen ließ. Das arabische Bedürfnis nach Bildern für die Abstraktionen des Denkens war somit befriedigt.
Averroes, Avempace, Alpetragius, Abubacer – ein ganzes Heer von arabischen Theoretikern stellt sich gegen die Schulen von Ptolemäus und Platon, um die aristotelische Lehre durchzusetzen. Sie behaupten, die Planeten bewegen sich so, wie Aristoteles sagte, obwohl das eindeutig aller Sinneswahrnehmung widerspricht. Nach Aristoteles, so die Araber, beschreiben die Planeten vollkommen runde und konzentrische Kreisbahnen, darum muss es so sein und Schluss, auch wenn uns die Augen und mathematische Berechnungen etwas ganz anderes zeigen. Hier haben wir den Ursprung des Dogmatismus: Die aristotelische Lehre wird von den Arabern mit so großer Ergebenheit und Bewunderung übernommen, dass er nur noch Der Philosoph heißt. Averroes, der sein ganzes Leben damit verbrachte, Kommentare über das Denken seines Lehrmeisters zu verfassen, wird Der Kommentator genannt.
Und so setzen die Araber sich schließlich durch: Dank unendlicher Wiederholung verbreitet sich das Prinzip, dass astronomische Hypothesen mit der philosophischen Lehre übereinstimmen müssen.
|490| »Wir Christen waren unterdessen von den Lehren des Alpetragius auch nicht verschont geblieben. Im Westen begann ein Kampf. Die scholastische Philosophie, die zuvor bedingungslos der alten Schule von Platon und Ptolemäus gefolgt war, fing an, sie zu Gunsten von Alpetragius in Zweifel zu ziehen, auch wegen der großen Bedeutung, die Aristoteles innerhalb der Kirche gewonnen hatte. Alpetragius’ Lehre vertrug sich keineswegs mit den Erscheinungen, ihre Ergebnisse widersprachen den beobachtbaren Bewegungen am Himmel. Das erkannte auch der hochgelehrte Franziskaner Roger Bacon, der jedoch aus geheimnisvollen Gründen unbedingt dem arabischen Philosophen recht geben wollte. Auch Bonaventura aus Bagnoregio, Doktor Angelico genannt, war zwischen Ptolemäus und Alpetragius hin und her gerissen. Zum Glück schlug sich der heilige Thomas von Aquin auf die Seite von Ptolemäus.«
So kam man in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts an. In Paris entschied sich Johannes von Janduno, obwohl er ein großer Bewunderer von Aristoteles und Averroes war, für die Theorie des Ptolemäus, die als einzige Rechentafeln wie Ephemeriden bot, mit denen sich die Bewegungen am Himmel bis in alle Einzelheiten vorhersagen ließen. In Italien gab auch der Aristoteliker Petrus Conciliator schließlich Ptolemäus den Vorzug. Trotz heftiger Attacken konnte die Philosophie der griechischen Astronomen ihre beiden Säulen zuletzt unversehrt erhalten: astronomische Hypothesen müssen so einfach wie möglich sein und mit den Erscheinungen übereinstimmen. Das änderte sich in den nächsten beiden Jahrhunderten nicht.
»Bis einer kam«, schloss Hardouin, »der alles verdarb, wie Caspar Schoppe heute richtig gesagt hat: Luther.«
»Aber Galileo wurde doch von der römischen Kirche verurteilt! Was hat Luther damit zu tun?«, fragte ich.
»Genug jetzt! Hört mit eurem Geschwätz auf«, drohte der Korsar. »Wir sind angekommen.«
|491| DISKURS LXXV
Darin eine perfekte Rettungsaktion stattfindet.
Es lag noch da: träge schaukelte das Boot, wie betrunken von dem eingedrungenen Wasser, das es beschwerte. Es war so fest zwischen zwei aus dem Wasser ragenden Felsen eingeklemmt, dass die Strömung es nicht hatte mitreißen können. Ein einzigartiger Zufall! Fast schien es, als hätte die Vorsehung es für uns aufbewahren wollen.
Ali Ferrareses Statthalter leitete die Rettungsaktion, die vom Mondlicht weit besser
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