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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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verharrten noch eine Weile recht beunruhigt vor dem Baum, ohne eine befriedigende Erklärung für das Geschehen zu finden. Doch die Zeit drängte, also setzten wir unseren Marsch fort.
    Wir waren kurz vor der Abzweigung, von wo der steile, mit großen spitzen Steinen gespickte Pfad hinunter zum Meer führte.

|485| BETRACHTUNG
    Darin man entdeckt, dass Kemal doch nicht gealtert ist.
    Ich glaubte, Hardouin hätte seine Lust am Diskutieren nunmehr gestillt und wollte eine Weile schweigen. Doch ich irrte mich, denn mit der ihm eigenen Bescheidenheit hub er wieder an, um seine Überlegung zu vervollständigen:
    »In Wahrheit, mein lieber Secretarius, war das, was uns heute exotisch und unnütz vorkommt, auch außerhalb von Griechenland und Rom, zum Beispiel in Arabien, alt und wohlbekannt. Gerade von den Arabern kam nämlich eine sehr wichtige Wende. Freilich nicht in die richtige Richtung.«
    Die Araber, erklärte der Bretone, hätten den scharfen Geist der Griechen nicht geerbt, ebensowenig hätten sie die Genauigkeit und Sicherheit ihres logischen Denkens gekannt. Über viele Jahrhunderte hinweg konnten sie nur winzige Verbesserungen an den Hypothesen vornehmen, mit denen die griechische Astronomie der Zeit Zügel angelegt hatte, indem sie die komplizierten Bahnen der Planeten in einfache Bewegungen auflöste. Mit keinem der großen griechischen Wissenschaftler wie Poseidonios, Ptolemäus und Proklos oder Simplicius, der die Lehre Platons weitergab, konnten sie wetteifern. Da sie sich die Himmelskörper und ihre Bewegungen nicht anders als in konkreten Bildern vergegenwärtigen konnten, brauchten sie eine Theorie, die durch geformte Körper dargestellt werden konnte. Die Araber wollten Dinge berühren und erblicken, welche die griechischen Denker als rein fiktiv und abstrakt beschrieben hatten, sie wollten die epizyklischen und exzentrischen Bahnen, die Ptolemäus und seine Nachfolger für reine Rechenexempel hielten, mit Hilfe von Kugeln, die sich im Himmel drehen, real werden lassen.
    »Sie haben sich damit begnügt«, erklärte der Buchhändler, »den
Almagest
von Ptolemäus zusammenzufassen, zu kommentieren und Tafeln zu verfassen, mit denen seine Prinzipien angewandt werden konnten, doch nie haben sie den Sinn und die Art der Voraussetzungen untersucht, auf denen das ganze System des Ptolemäus aufbaut. In den Schriften des Abu l-Wafa, des Alfraganus oder des Albategnius würde man vergeblich nach dem kleinsten Hinweis auf den Wirklichkeitsgrad suchen, den man den Planetenbewegungen zuschreiben |486| darf. Erst am Ende des 9. Jahrhunderts findet man einen Autor, der die Art der von Ptolemäus entworfenen Mechanismen diskutiert, nämlich den Philosophen Thabit, einen Sabier, und nach ihm muss über ein Jahrhundert vergehen, bis man auf Alhazen trifft …«
    »… der von Profazio ins Hebräische und dann von Abramo di Balmes ins Lateinische übersetzt wurde, übrigens mit dem Ergebnis, dass daraus ein sehr merkwürdiger Text voll unsinniger Sätze wurde, stimmt’s?«
    Wir blieben wie versteinert stehen. Hinter uns war eine wohlbekannte Stimme erklungen.
    Kemal drehte sich mit einem Ruck um. »Himmel, was machst du denn hier?«
    »Ich hatte nicht die geringste Lust, auf dieser Insel sitzen gelassen zu werden«, antwortete Barbello, alias Barbara Strozzi, trat hervor und zeigte sich im Mondlicht.

DISKURS LXXIV
    Darin man bei Barbello weitere unvermutete Talente entdeckt.
    »Du hast dich geschickt angestellt bei dieser Verfolgung«, sagte Hardouin, der versuchte, seinen Schrecken zu unterdrücken. »Aber warum gibst du dich erst jetzt zu erkennen?«
    »Ihr wart kurz davor, die Klippen hinunterzusteigen. Ich musste euch anhalten, sonst hätte ich euch aus den Augen verloren.«
    »Lieber Kastrat, du bist ein wirklich reizender … kleiner Spion.« Kemal, der Barbellos wahres Geschlecht nur allzu gut kannte, hatte Mühe, sie als Mann anzusprechen.
    »Aber du hast dich verraten: Du hast Mustafas Schal genommen, bevor wir an dem Baum vorbeikamen«, erklärte Hardouin.
    »Falsch. Ich war die ganze Zeit hinter Euch.«
    »Wirklich?«, staunte der Buchhändler.
    »Früher oder später hätte ich dich trotzdem erwischt!«, versicherte der Statthalter von Ali Ferrarese.
    »Aber ich
wollte
ja von dir erwischt werden«, antwortete Barbara |487| mit einem maliziösen Lächeln, das Hardouin nicht verstehen konnte, während ich nicht zeigen durfte, dass ich es verstand.
    Ach, wie gerne hätte ich diese Lügnerin in eine Ecke

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