Das Nibelungenlied
Lehn;
Auch sahen sie darunter · einen Recken stehn,
Der war geheißen Siegfried · ein Held aus Niederland.
Leid war's Lüdegasten · als er die Dinge so befand.
Als die vom Dänenlande · hörten diese Mär,
Da eilten sie, der Helfer · zu gewinnen desto mehr,
Bis der König Lüdegast · zwanzigtausend Mann
Seiner kühnen Degen · zu seiner Heerfahrt gewann.
Da besandte sich von Sachsen · auch König Lüdeger,
Bis sie vierzigtausend · hatten und wohl mehr,
Die mit ihnen ritten · gen Burgundenland.
Da hatt' auch schon zu Hause · der König Gunther gesandt
Zu seinen nächsten Freunden · und seiner Brüder Heer,
Womit sie fahren wollten · im Kriegszug einher,
Und auch mit Hagens Recken · das tat den Helden not.
Darum mußten Degen · bald erschauen den Tod.
Sie schickten sich zur Reise · als es ging hindann,
Die Fahne mußte führen · Volker, der kühne Mann,
Da sie reiten wollten · von Worms über Rhein;
Hagen von Tronje · der mußte Scharmeister sein.
Mit ihnen ritt auch Sindold · und der kühne Hunold,
Die wohl verdienen konnten · König Gunthers Gold.
Dankwart, Hagens Bruder · und auch Ortewein,
Die mochten wohl mit Ehren · bei dem Heerzuge sein.
»Herr König,« sprach da Siegfried · »bleibet ihr zu Haus:
Da mir eure Degen · folgen zu dem Strauß,
So weilt bei den Frauen · und tragt hohen Mut:
Ich will euch wohl behüten · die Ehre so wie das Gut.
»Die euch heimsuchen wollten · zu Worms an dem Rhein,
Der will ich euch erwehren · sie sollen zu Hause sein;
Wir wollen ihnen reiten · so nah ins eigne Land,
Daß ihnen bald in Sorge · der Übermut wird gewandt.«
Vom Rheine sie durch Hessen · mit ihren Helden ritten
Nach dem Sachsenlande · da wurde bald gestritten.
Mit Raub und mit Brande · verheerten sie das Land,
Daß bald den Fürsten beiden · ward Not und Sorge bekannt.
Sie kamen an die Marke · die Knechte rückten an.
Siegfried der starke · zu fragen da begann:
»Wer soll nun der Hüter · des Gesindes sein?«
Wohl konnte nie den Sachsen · ein Heerzug übler gedeihn.
Sie sprachen: »Laßt der Knappen · hüten auf den Wegen
Dankwart den kühnen · das ist ein schneller Degen:
Wir verlieren desto minder · durch die in Lüdgers Lehn;
Laßt ihn mit Ortweinen · hie die Nachhut versehn.«
»So will ich selber reiten« · sprach Siegfried der Degen,
»Den Feinden gegenüber · der Warte zu pflegen,
Bis ich recht erkunde · wo die Recken sind.«
Da stand bald in den Waffen · der schönen Sieglinde Kind.
Das Volk befahl er Hagen · als er zog hindann,
Ihm und Gernoten · diesem kühnen Mann.
So ritt er hin alleine · in der Sachsen Land:
Dabei ward verhauen · von ihm wohl manchen Helmes Band.
Er sah ein groß Geschwader · das auf dem Felde zog
Und die Kraft der Seinen · gewaltig überwog:
Es waren vierzigtausend · oder wohl noch mehr.
Siegfried in hohem Mute · sah gar fröhlich das Heer.
Da hatte sich ein Recke · auch aus der Feinde Schar
Erhoben auf die Warte · der wohl gewappnet war:
Den sah der Degen Siegfried · und ihn der kühne Mann;
Jedweder auf den andern · mit Zorn zu blicken begann.
Ich sag' euch, wer der wäre · der hier der Warte pflag;
Ein lichter Schild von Golde · ihm vor der Linken lag:
Es war der König Lüdegast · der hütete sein Heer.
Der edle Fremdling sprengte · herrlich wider ihn einher.
Nun hatt' auch ihn Herr Lüdegast · sich feindlich erkoren:
Ihre Rosse reizten beide · zur Seite mit den Sporen;
Sie neigten auf die Schilde · mit aller Macht den Schaft;
Da kam der mächt'ge König · darob in großer Sorgen Haft.
Dem Stich gehorsam trugen · die Rosse pfeilgeschwind
Die Könige zusammen · als wehte sie der Wind;
Dann mit den Zäumen wandten · sie ritterlich zurück:
Die grimmen Zwei versuchten · da mit dem Schwerte das Glück.
Da schlug der Degen Siegfried · das Feld erscholl umher,
Aus dem Helme stoben · als ob's von Bränden war',
Die feuerroten Funken · von des Helden Hand.
Jeder an dem andern · seinen rechten Partner fand.
Auch ihm schlug Herr Lüdegast · manchen grimmen Schlag;
Jedweder auf dem Schilde · mit ganzer Stärke lag.
Da hatten es wohl dreißig · erspäht aus seiner Schar:
Eh' die ihm Hülfe brachten · der Sieg doch Siegfriedens war
Mit drei starken Wunden · die er dem König schlug
Durch einen lichten Harnisch · der war doch fest genug.
Das Schert mit seiner Schärfe · entlockte Wunden Blut;
Davon der König Lüdegast · gewann wohl traurigen Mut.
Er bat ihn um sein Leben · und bot ihm all sein
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