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Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Rafelsberger
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des Hauses, vor dem er lag.« Der Daumen des Uniformierten zeigte auf ein eindrucksvolles Schmiedeeisentor, das offen stand. »Ein Kollege ist bei ihm.«
    »Werden die Anrainer befragt?«
    »Nein.«
    »Dann schnappen Sie sich ein paar Kollegen und fangen Sie damit an.«
    Sie selbst wandte sich dem kunstvoll gestalteten Tor direkt hinter dem Tatort zu. Ein leeres Namensschild neben der Klingel und den Schlitzen der kleinen Gegensprechanlage trug die Nummer 24. Darüber beobachtete sie das schwarz glänzende Auge einer Linse. Keine Seltenheit in dieser Gegend, wo viele Reiche und Prominente wohnten. Deshalb war ihr der neunzehnte Wiener Gemeindebezirk immer eine zwiespältige Heimat gewesen. Sie war in keiner der Jugendstilvillen aufgewachsen, die das aufstrebende Bürgertum in dem ehemaligen Vorort errichtet hatte, um aus der engen Stadt zu flüchten. Seit sie sich erinnern konnte, lebten ihre Eltern in einem schmucklosen Gemeindebau, den sozialistische Politiker zur Durchmischung der Milieus während der fünfziger Jahre zwischen die noblen Anwesen gepflanzt hatten. Die Luxusdomizile kannte sie nur von Nachmittagen bei jenen wenigen Schulkameradinnen, die auch die Kinder aus dem Gemeindebau einladen durften. Vielleicht war sie deshalb nach der Schule fortgezogen. Mit ihrer ersten Dienststelle war sie vor einem Jahr zurückgekehrt. Vom Kriminalkommissariat West im siebzehnten Bezirk betreuten sie den neunzehnten mit.
    Hinter Petzold fuhr das Rettungsauto fort. Ein Einsatzwagen folgte.
    Als sie durch das Gartentor trat, sprangen entlang der geschwungenen Auffahrt Lampen an. Unter ihren Schritten knirschte der Kies. Auf ihr Klingeln öffnete ein Kollege. Er ließ sie ein und führte sie durch den Windfang in die gebäudehohe Empfangshalle. An den holzgetäfelten Wänden schlängelte sich eine Treppe in die oberen Geschosse. Aus schweren Ölgemälden blickten ehrwürdige Ahnen auf Petzold herab. Die gegenüberliegende Wand beherrschte ein barocker Sekretär, das Zentrum des Raums eine Sitzgruppe aus dem Biedermeier. Von der Decke hing ein Kristallluster in Dimensionen, wie Petzold sie aus der Hofburg oder dem Musikvereinssaal kannte. Der staubige Geruch von schweren Stoffvorhängen und altem Holz schlich in ihre Nase.
    Bei ihrem Eintreten erhob sich ein hochbetagter Mann in blauem Hemd und dunkler Hose und kam ihr entgegen. Seine Größe und aufrechte Haltung konnten Petzold nicht darüber hinwegtäuschen, dass er die achtzig bereits hinter sich gelassen haben musste. Aus dem Kragen ringelten sich weiße Haare über das Blau des Stoffs.
    »Gerwald Köstner. Guten Abend.«
    Er reichte ihr eine Hand, die gleichfalls von schütterem, weißem Haar bedeckt war. In seine Züge hatte sich über die Jahrzehnte eine Mischung aus Entschiedenheit und Wachsamkeit geprägt. Der Name sagte ihr nichts. Das Gesicht kam ihr bekannt vor, sie konnte es aber nicht zuordnen. Wenn er schon lange hier wohnte, war sie ihm wahrscheinlich früher auf der Straße begegnet.
    Petzold entschuldigte sich für die späte Störung.
    Der alte Mann rieb sich über Wange und Kinn, wo erste frühmorgendliche Bartstoppeln schimmerten. »Ich muss Sie um Entschuldigung bitten für meine Erscheinung.«
    »Sie haben den Mann gefunden?«
    »Bitte, nehmen Sie Platz. Ja. Ich konnte nicht schlafen und wollte noch einen kleinen Spaziergang machen.«
    Petzold fiel auf, wie gepflegt der alte Mann war. Seine faltigen Finger waren tadellos manikürt, sein volles schlohweißes Haupthaar durchzog auf der linken Seite ein akkurater Scheitel.
    »Kaum war ich auf die Straße getreten, sah ich ihn dort zwischen den Autos liegen.«
    »Sonst haben Sie nichts gesehen?«
    »Nein. Ich bin hin, so schnell ich konnte. Da war überall Blut. Er atmete nicht. Also lief ich zurück ins Haus«, bedauernd hob er eine Hand, »weil ich so neumodische Dinge wie ein Handy nicht besitze. Von hier aus habe ich die Polizei verständigt. Dann bin ich wieder hinaus und habe auf die Polizei gewartet. Ihr Kollege hat mich dann wieder hereingebracht. Er ist tot, nicht wahr?«
    »Die Ärzte haben noch ein wenig Leben in ihm entdeckt. Ob sie es halten können, wird man sehen.«
    Gerwald Köstner schwieg einen Moment, bevor er flüsterte: »Mein Gott! Wird er denn wieder gesund?«
    »Es sieht schlimm aus. Ist Ihnen heute Abend irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Nichts. Allerdings war ich die meiste Zeit in der Bibliothek, und die liegt auf der Gartenseite des Hauses. Wie auch der Speiseraum,

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