Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
überzeugt, dass Nynaeve nur gegangen war, um sich vor diesem Unterricht zu drücken. Sicher erwartete niemand, so wie Merilille zu enden, aber selbst ein paar Stunden waren schon schlimm genug.
»O nein, Careane«, mischte sich Sareitha ein und mied noch immer Elaynes Blick. Und Merililles. Sie vertrat die Meinung, dass sich die Graue selbst in diese Zwangslage gebracht hatte und darum verdiente, was daraus entstanden war, aber sie bemühte sich, kein Salz in diese Wunden zu streuen. »Vandene ist wegen ihrer Schwester verzweifelt, und Kirstian und Zarya helfen ihr, auf andere Gedanken zu kommen.« Was auch immer sie von den anderen Kusinen hielt, sie akzeptierte, dass Zarya eine Ausreißerin war, was offensichtlich war, da Zarya zu denen gehörte, die Careane erkannt hatte, und wenn Kirstian eine Lügnerin war, würde sie für ihre Lüge den vollen Preis entrichten müssen. Ausreißerinnen wurden nicht sanft behandelt. »Ich habe auch Stunden mit ihr verbracht, und sie spricht von fast nichts anderem als Adeleas. Es ist, als wollte sie meine Erinnerungen zu ihren hinzufügen. Ich glaube, man muss ihr so viel Zeit lassen, wie sie braucht, und diese beiden verhindern, dass sie zu oft allein ist.« Sie warf Elayne einen Seitenblick zu und holte tief Luft. »Dennoch, der Unterricht ist mit Sicherheit … eine Herausforderung. Vielleicht würde eine Stunde dann und wann helfen, sie aus ihrer Verzweiflung herauszuholen, und sei es nur dadurch, dass sie in Wut gerät. Findet Ihr nicht, Elayne? Nur dann und wann eine Stunde.«
»Vandene wird so viel Zeit bekommen, wie sie braucht, um ihre Schwester zu betrauern«, sagte Elayne schlicht. »Und damit ist diese Diskussion beendet.«
Careane seufzte abgrundtief und richtete ihre Stola erneut. Sareitha seufzte leise und fing an, an dem Großen Schlangenring am Zeigefinger ihrer linken Hand herumzuspielen. Vielleicht hatte sie ihre Stimmung gespürt, vielleicht lag es auch nur daran, dass sich keine von ihnen auf eine weitere Sitzung mit den Windsucherinnen freute. Merililles Ausdruck änderte sich nicht, sie sah noch immer überrascht aus, aber ihre Sitzungen mit dem Meervolk dauerten auch den ganzen Tag und die Nacht dazu, wenn Elayne sie dort nicht wegholen konnte, und die Windsucherinnen waren immer weniger dazu bereit, sie gehen zu lassen, wie sehr Elayne auch darauf beharrte.
Immerhin schaffte sie es, die drei nicht unfreundlich zu behandeln. Was Mühe kostete, vor allem in Aviendhas Anwesenheit. Elayne wusste nicht, was sie tun würde, sollte sie jemals ihre Schwester verlieren. Vandene trauerte nicht nur um eine leibliche Schwester, sie suchte nach Adeleas Mördern, und es gab nicht den geringsten Zweifel, dass sie unter Merilille Ceandaevin, Careane Fransi oder Sareitha Tomares zu suchen waren. Eine von ihnen, oder, noch schlimmer, mehrere. Bei Merilille in ihrem derzeitigen Zustand war diese Anschuldigung nur schwer zu glauben, aber das galt eigentlich für jede Schwester. Wie Birgitte einmal gesagt hatte, der schlimmste Schattenfreund, der ihr je in den Trolloc-Kriegen begegnet war, war ein milchbärtiger Junge gewesen, der bei lauten Geräuschen zusammenzuckte. Und der die Zisterne einer ganzen Stadt vergiftet hatte. Aviendha hatte vorgeschlagen, alle drei einer Befragung zu unterziehen, was Birgitte entsetzt hatte, aber die Aiel brachte den Aes Sedai mittlerweile bedeutend weniger Ehrfurcht als zuvor entgegen. Die angebrachten Höflichkeiten mussten beibehalten werden, bis es Beweise für eine Verurteilung gab. Dann würde es allerdings überhaupt keine Höflichkeiten mehr geben.
»Oh«, sagte Sareitha und strahlte plötzlich. »Da ist Hauptmann Mellar. Er ist während Eurer Abwesenheit schon wieder zum Helden geworden.«
Aviendha umklammerte den Griff ihres Gürtelmessers, und Birgitte versteifte sich. Careanes Gesicht nahm einen ausgesprochen frostigen Ausdruck an, und selbst Merilille brachte eine missbilligende Miene zustande. Keine der Schwestern machte einen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Doilin Mellar.
Mit seinem schmalen Gesicht war er nicht hübsch, nicht einmal ansehnlich, aber er bewegte sich mit der geschmeidigen Anmut eines Schwertkämpfers, die von körperlicher Kraft kündete. Als Hauptmann von Elaynes Leibwache hatte er drei goldene Rangknoten vorzuweisen, und er trug sie auf jeder Schulter seines auf Hochglanz polierten Brustpanzers. Ein unwissender Beobachter hätte gedacht, dass er Birgitte im Rang übertraf. Die schneeweiße Spitze an
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