Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Spiegelbild aus Unmut und Unzufriedenheit. Die beiden zusammen zu sehen bereitete Egwene Unbehagen.
»Ich wusste nicht, dass es Freunden erlaubt ist, hier zuzusehen«, sagte sie. »Macht Nicola noch immer Schwierigkeiten?« Nicola und Areina hatten versucht, sie und Myrelle und Nisao zu erpressen, aber das meinte sie nicht. Das war noch immer ein weiteres Geheimnis.
»Besser, das Mädchen ist mit Areina befreundet, als dass sie zu einem der Pferdeknechte freundlich ist«, sagte Tiana schnaubend. »Ihr müsst wissen, zwei bekommen ein Kind, und bei zehn weiteren ist das noch nicht abzusehen. Aber das Mädchen braucht mehr Freunde. Freunde werden ihr guttun.«
Sie verstummte, als zwei weitere in Weiß gekleidete Novizinnen ins Zelt stürzten und quiekend und rutschend zum Stehen kamen, als sie sich Aes Sedai gegenüberfanden. Sie machten hastig ihre Knickse und eilten nach einem Wink von Tiana ins Zeltinnere und legten ihre Umhänge gefaltet auf eine Bank, bevor sie sich aus einer der Truhen einen teilweise weißen Pokal und eine fast vollständig weiße Schale holten.
Sharina wartete, bis sie an der Arbeit saßen, dann holte sie ihren Umhang und legte ihn sich über die Schultern, bevor sie zum Ausgang kam. »Wenn Ihr mich entschuldigen wollt, Tiana Sedai«, sagte sie und machte einen Knicks, der nur um Haaresbreite einer Verabschiedung von Gleichgestellten nahekam, »man hat mir aufgetragen, heute beim Mittagessen zu helfen, und ich möchte die Köche nicht verärgern.« Ihre dunklen Augen richteten sich kurz auf Egwene, und sie nickte an sich selbst gerichtet.
»Dann geht«, erwiderte Tiana scharf. »Ich würde nur ungern hören, dass man Euch fürs Zuspätkommen geschlagen hat.«
Sharina knickste ungerührt ein weiteres Mal vor Tiana, weder zu schnell noch zu lange, dann vor den Sitzenden und Egwene – mit einem Blick, der zwar durchbohrend, aber zu kurz war, um als Beleidigung aufgefasst werden zu können –, und als die Zeltplane hinter ihr zurückfiel, stieß Tiana verzweifelt die Luft aus.
»Nicola macht weniger Ärger als andere«, sagte sie finster, und Janya schüttelte den Kopf.
»Sharina macht keine Probleme, Tiana.« Sie sprach so schnell wie immer, aber leise, damit ihre Stimme nicht bis ins Zelt hineintrug. Meinungsverschiedenheiten zwischen Schwestern wurden niemals vor Novizinnen ausgetragen. Vor allem dann nicht, wenn es dabei um eine Novizin ging. »Sie kennt die Regeln bereits besser als jede Aufgenommene, und schiebt niemals auch nur einen Zeh über die Grenze. Sie drückt sich nicht vor den schmutzigsten Arbeiten, und sie ist die Erste, die einer anderen Novizin hilft, wenn es nötig ist. Sharina ist einfach so, wie sie ist. Beim Licht, Ihr könnt doch keiner Novizin erlauben, Euch einzuschüchtern.«
Tiana versteifte sich und wollte widersprechen, aber sobald Janya sich einmal an einem Thema festgebissen hatte, war es nicht einfach, einen Einwand anzubringen. »Nicola hingegen macht alle möglichen Probleme, Mutter«, fuhr die Braune hastig fort. »Seit wir herausgefunden haben, dass sie Vorhersehen kann, macht sie es zwei- bis dreimal täglich, wie sie erzählt. Oder vielmehr wie Areina erzählt. Nicola ist schlau genug zu wissen, dass sie sich nicht an das erinnern kann, was sie sagt, wenn sie vorhersieht, aber Areina scheint immer da zu sein und sich an alles zu erinnern, und sie hilft ihr bei der Interpretation. Manches gehört zu den Dingen, die sich jeder im Lager mit einem Funken Verstand und einer leichtgläubigen Natur einfallen lassen könnte – Schlachten mit den Seanchanern oder den Asha’man, eine gefangene Amyrlin, der Wiedergeborene Drache, der neun unmögliche Taten vollbringt, Visionen, die Tarmon Gai’don oder ein verdorbener Magen sein könnten –, und der Rest ist zufälligerweise stets ein Hinweis darauf, dass man Nicola schneller lernen lassen sollte. Sie übertreibt es immer mit ihrer Gier. Ich glaube, die meisten anderen Novizinnen haben aufgehört, ihr zu glauben.«
»Sie steckt auch überall ihre Nase hinein«, sagte Salita, als Janya Luft holen musste. »Sie und die Pferdefrau.« Ihr Gesicht blieb kühl und unbewegt, und sie zupfte die Stola zurecht, als wäre sie vollauf damit beschäftigt, aber sie sprach etwas zu hastig, vielleicht aus Furcht, die Braune würde das Gespräch wieder an sich reißen. »Sie haben beide eine Prügelstrafe bekommen, weil sie Schwestern belauscht haben, und ich selbst habe Nicola dabei erwischt, wie sie einen Blick in
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