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Die Klinge des Löwen 03

Die Klinge des Löwen 03

Titel: Die Klinge des Löwen 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Weil
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Auf der schmalen,
staubigen Straße, die durch Dattenwiller führte, stauten
sich mit Hausrat beladene Ochsenkarren. Aufgeregte, schwitzende
Männer in groben Leinenkitteln und vielfach geflickten Hosen*
aus demselben Stoff schrien sich die Kehle heiser oder fluchten
gotteslästerlich, weil es nicht mehr vorwärts ging.
Dazwischen brüllten, quiekten und gackerten mitgeführte
Rinder, Kühe, Schweine, Hühner und anderes Getier. Frauen
mit bleichen, von Angst gezeichneten Gesichtern, in beschmutzten und
abgerissenen Gewändern und der obligatorischen Haube auf dem
Kopf, bemühten sich, plärrende Kinder zu beruhigen. Über
diesem von Unruhe geprägten Wagenzug spannte sich kalt und
unberührbar ein blauer Himmel, von dem die Julisonne
herniederbrannte und den Menschen mächtig warm machte.
    * [ "Hosen"
damals: Enge schenkellange Beinlinge mit Steg, an der Brouche (einer
Art Unterhose) befestigt. ]
    Das unterhalb der
Ortenburg liegende Dorf verdiente diese Bezeichnung eigentlich nicht,
denn es war nichts weiter als eine winzige Ansammlung primitiver
Bauerngehöfte. Hier fristeten die Hörigen der Burg ihr zwar
karges, aber bislang friedliches Leben. Was sie jedoch jetzt zu sehen
bekamen, versetzte sie in Angst und Schrecken. So mancher
Dorfbewohner stellte sich im stillen die bange Frage, ob das, was
sich da vor seinen Augen abspielte, wohl bald auch ihnen blühen
würde.
    Auf dem Söll er*
des westlichen Mauerturmes der Ortenburg stand Dietrich vom Hain und
beobachtete das Geschehen unten in dem Weiler mit gerunzelter Stirn.
Er sah, wie die lange Reihe der Karren sich immer weiter
zurückstaute, weil ständig neue Flüchtlinge aus den
nördlichen Gebieten dazukamen. Wenn er den Kopf nach Südosten
wandte, erblickte er den Grund für die Stauung - dort war das
Heerlager der Mortenau aufgeschlagen und versperrte den Weg.
Insgesamt hatten Urban von Geroldseck und Max von Ortenburg rund
tausend Bewaffnete zusammengebracht, darunter etwa dreihundert
Berittene. Ein knappes Hundert davon waren gepanzerte Ritter.
Dietrichs Miene zeigte trotzdem keine Zuversicht, denn er wußte
mittlerweile, daß die Streitmacht der Slawen wesentlich stärker
und deren Reiterheer den berittenen Verteidigern der Mortenau
zahlenmäßig mindestens zweifach überlegen war. Zum
Frohlocken bestand also kein Grund, denn daß ein Ritter wie er
bei diesem ungleichen Waffengang ruhmreiche Taten vollbringen könnte,
war nach seiner Meinung höchst unwahrscheinlich.
    * [Söller: Vorspringender
balkonartiger Anbau, nach unten abgestützt. ]
    Was sich in dem
winzigen Ort unter seinen Augen abspielte, war die Folge eines jeden
Krieges - die Bewohner einer von den Kriegswirren betroffenen Region
versuchten, ihr Leben und ihre Habseligkeiten vor dem erbarmungslosen
Feind zu retten. Diesmal hatte das Schicksal die Mortenau dazu
ausersehen, die Faust einer blutigen Auseinandersetzung zwischen
Staufern und Welfen um den deutschen Kaiserthron zu spüren zu
bekommen.
    Als ein Mitglied der
Heeresführung war Dietrich über die drohenden Ereignisse
gut unterrichtet. Den fliehenden Menschen dort unten folgte das gut
gerüstete Slawenheer, das im Sold des Welfen Otto von
Braunschweig stand. Die Berichte der Späher besagten, daß
die fremdländische Kriegsmacht wie eine Sturmflut über das
friedliche Land brandete. Die Eroberer sengten und mordeten nach
Belieben und setzten sich mitunter eine Zeitlang fest, wobei sie
jeweils die Einheimischen erbarmungslos von Haus und Hof vertrieben
oder töteten.
    Von der
Gerichtslinde herüber schallten orgelnde Triller einer Drossel.
Vor dem Mauerturm jagten Mehlschwalben mit schrillem Ruf nach
fliegenden Insekten, um damit die gierigen Schnäbel ihrer
Nestlinge zu stopfen. Hoch oben im Blau schwirrten bereits die ersten
ausgewachsenen Mauersegler der diesjährigen Brut in
raumgreifendem Flug durch die Lüfte und erprobten ihre
sichelförmigen Schwingen, die sie schon in wenigen Wochen
unvorstellbar weit in den fernen Süden tragen sollten. Auf der
von der Sonne erwärmten Brüstung hatte sich ein großer
samtbrauner Falter mit goldenem Flügelsaum niedergelassen und
klappte unruhig mit den Flügeln. War das schöne Insekt ein
Omen? Es war ein Trauermantel, aber das wußte Dietrich nicht.
Er hatte andere Sorgen. Er ahnte, daß das bisher geordnete
Leben in der Mortenau zu Ende sei. Schon in Kürze würden
wohl auch hier, in seiner engeren Heimat, Faustrecht und Willkür
der fremden Eindringlinge regieren, und ein Menschenleben war

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