Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
betrachtete. »Das muss nichts zu bedeuten haben, vielleicht lohnt es sich nicht einmal, da nachzuhaken«, sagte sie, »aber Corgaide hat nur berichtet, was sie gehört hat. Wenn wir etwas erfahren wollen, müssen wir uns das selbst ansehen.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hob sie die Röcke an und war auf dem Weg nach draußen, was Samitsu nur die Wahl ließ, sich ihr entweder anzuschließen oder zurückzubleiben. Das war unerhört! Aber zurückzubleiben war undenkbar.
Sashalle war nicht größer als sie, jedenfalls nicht nennenswert, aber sie musste sich beeilen, um den Anschluss nicht zu verlieren, als die Rote durch die breiten Korridore rauschte. Es stand außer Frage, die Führung zu übernehmen, dazu hätte sie rennen müssen. Sie kochte still vor sich hin, auch wenn dies erforderte, dass sie die Zähne zusammenbiss. Es war bestenfalls ungehörig, sich mit einer anderen Schwester in der Öffentlichkeit zu streiten. Aber noch viel schlimmer war, dass es zweifellos sinnlos gewesen wäre. Und dass es das Loch, in dem sie steckte, nur noch tiefer gemacht hätte. Sie verspürte große Lust, etwas einen Tritt zu versetzen.
Kandelaber in regelmäßigen Abständen spendeten selbst in den dunkelsten Passagen der Korridore genug Licht, aber abgesehen von einem gelegentlichen Wandbehang mit wohlgefälligen Motiven wie Jagdszenen oder Adligen, die ehrenvoll in der Schlacht kämpften, gab es hier nur wenig Farben oder Zierrat. In ein paar Wandnischen gab es vergoldete Statuetten oder Meervolk-Porzellan, und in einigen Korridoren waren die Simse als allerdings größtenteils unbemalte Friese gestaltet. Das war alles. Cairhien verbarg seinen Reichtum vor dem Auge der Öffentlichkeit, so wie es mit vielem anderen genauso verfuhr. Die Dienerschaft, die geschäftig wie Ameisenströme durch die Korridore eilte, trug Livreen in der Farbe von Holzkohle; die einzigen Ausnahmen bildeten jene Männer und Frauen, die in den Diensten von Adligen standen, die im Palast wohnten – verglichen mit dem Rest erschienen sie mit ihren auf der Brust aufgestickten Hauswappen und den in Hausfarben gehaltenen Kragen und manchmal auch Ärmeln fast bunt. Ein paar trugen sogar einen Mantel oder ein Kleid in den Hausfarben und wirkten unter den anderen beinahe wie Ausländer. Aber sie alle hatten den Blick gesenkt und hielten gerade lange genug inne, um den beiden Schwestern eine schnelle Verbeugung oder einen Knicks zu erweisen. Der Sonnenpalast benötigte Hunderte von Dienern, und es hatte den Anschein, als wären sie an diesem Morgen alle unterwegs, um ihren Pflichten nachzukommen.
Auch Adlige flanierten durch die Korridore und entboten den Aes Sedai im Vorbeigehen ihre eigenen zaghaften Ehrerbietungen, Grüße, die ein vorsichtiges Mittelding zwischen der Illusion von Gleichheit und dem wahren Sachverhalt darstellten und mit leisen Stimmen gesprochen wurden, die nicht weit trugen. Sie bewiesen das alte Sprichwort, dass seltsame Zeiten seltsame Weggefährten zur Folge hatten. Angesichts neuer Gefahren waren alte Feindschaften in den Hintergrund gerückt. Für den Augenblick. Hier promenierten ein paar blasse cairhienische Lords in dunkelsilbernen Mänteln mit schmalen Farbstreifen, von denen einige die Vorderseite des Schädels rasiert und nach Soldatenart gepudert hatten, Seite an Seite mit der derselben Anzahl von dunklen Tairenern, die in ihren hellen Mänteln mit den dicken, gestreiften Ärmeln größer wirkten. Dort spazierte eine tairenische Adlige mit einer eng anliegenden, perlenbestickten Mütze, in einem farbenprächtig mit Brokatmustern verzierten Gewand mit hellem Spitzenbesatz Arm in Arm mit einer kleineren cairhienischen Adligen in einem Gewand aus dunkler Seide mit ausladendem Rock und rauchgrauem Spitzenbesatz bis unters Kinn, an dessen Vorderseite die schmalen Streifen ihrer Hausfarben kaskadenförmig hinunterströmten; ihr kunstvoll zu einem aufwendigen Turm hochfrisiertes Haar überragte weit den Kopf ihrer Gefährtin. Sie alle benahmen sich wie Busenfreunde und geschätzte Vertraute.
Manche der Paarungen sahen seltsamer aus als andere. Einige der Frauen hatten in letzter Zeit angefangen, ausländische Trachten zu tragen, und ihnen schien anscheinend nicht aufzufallen, wie sie die Blicke der Männer auf sich zogen und selbst Diener ihre Mühe hatten, nicht hinzustarren. Enge Hosen und ein Mantel, der kaum über die Hüften reichte, waren keine passende Kleidung für eine Frau, gleichgültig, wie viel Arbeit in den
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