Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
war wohl mittlerweile auf halbem Weg nach Murandy, wenn nicht noch weiter weg.
Einen Augenblick später begann die Frau von neuem: »Eure Ankläger befinden sich hier, um Euch gegenüberzutreten.« Sie deutete auch die Gruppe der Nems. »Admer Nem, Ihr werdet nun Eure Aussage machen.«
Der kräftige Mann schob sich vorwärts, einerseits aufgeblasen vor Wichtigtuerei, andererseits aber sichtlich nervös. Er zupfte an seinem Mantel herum, dessen Holzknöpfe mit Mühe seinen Bauch zurückhielten, und dann fuhr er sich mit den Händen durch sein dünnes Haar, das ihm immer wieder ins Gesicht fiel. »Wie ich schon sagte, Lord Gareth, war es also so …«
Er berichtete einigermaßen klar und ohne Abschweifungen, wie er sie auf dem Heuboden entdeckt und zum Gehen aufgefordert hatte. Allerdings machte er Logain beinahe einen Fuß größer, als er tatsächlich war, und aus dem einzigen Schlag des Mannes machte er eine Rauferei, in der er – Nem – genauso viel ausgeteilt wie abbekommen habe. Die Laterne fiel um, das Heu brannte lichterloh, und der Rest der Familie stürzte aus dem Bauernhaus in die beginnende Dämmerung hinaus. Man packte die Gefangenen, und die Scheune brannte bis zum Grund ab. Dann entdeckte man den Verlust der Börse, die sich im Haus befunden hatte. Er streifte den Teil des Berichts lediglich ganz kurz, als der Dienstmann Lord Brynes vorbeigeritten war, während einige Familienmitglieder gerade Seile geholt und die Äste der umstehenden Bäume prüfend beäugt hatten.
Als er schließlich erneut bei der Rauferei landete und diesmal gar zu gewinnen schien, unterbrach ihn Bryne: »Das genügt schon, Meister Nem. Ihr könnt zurücktreten.«
Stattdessen trat jedoch eine der Nemfrauen – typisch rundes Gesicht und etwa gleichalt wie Nem, vermutlich seine Frau – zu ihm hin. Rund war ihr Gesicht wohl, doch es wirkte nicht weich: rund wie eine Bratpfanne oder ein Flusskiesel und rot vor Zorn. »Lasst nur diese Schlampen tüchtig auspeitschen, Lord Gareth, ja? Lasst sie tüchtig auspeitschen und dann rädern, bis sie nach Jornhill gerollt sind!«
»Niemand hat Euch zu sprechen aufgerufen, Maigan«, sagte die schlanke Frau in Grau in scharfem Ton. »Das hier ist eine Gerichtsverhandlung, und Petitionen sind hier nicht erwünscht! Admer und Ihr werdet jetzt zurücktreten. Sofort!« Sie gehorchten; Admer eine wenig eifriger als Maigan. Die grau gekleidete Frau wandte sich nun Min und ihren Gefährtinnen zu. »Wenn Ihr wünscht, eine Aussage zu machen, ob zu Eurer Verteidigung oder um Strafmilderung zu erbitten, dann dürft Ihr jetzt sprechen.« In ihrer Stimme schwang keinerlei Sympathie mit, aber auch sonst kein Gefühl.
Min erwartete, dass sich Siuan nun äußern werde, denn sie übernahm ja auch sonst die Führung und sprach für die anderen, doch die rührte sich nicht und blickte nicht einmal auf. Stattdessen trat Leane zum Tisch hin und sah den Mann dahinter an.
Sie stand so gerade aufgerichtet da wie immer. Normalerweise bewegte sie sich durchaus graziös, wenn auch nicht weiter auffällig, doch nun war aus ihrem Schritt ein Dahingleiten geworden, mit einem leicht angedeuteten Hüftschwung dazu. Irgendwie wirkten ihre Hüften und ihr Busen auffälliger als sonst. Nicht, dass sie etwas übermäßig betonte; man wurde sich dessen lediglich etwas mehr bewusst als für gewöhnlich. »Mein Lord, wir sind drei hilflose Frauen, Flüchtlinge vor den Stürmen, die über die Welt fegen.« Ihr knapper, geschäftsmäßiger Tonfall war verschwunden. Nun klang ihre Stimme wie eine samtige Liebkosung. In ihren dunklen Augen leuchtete etwas wie eine unterschwellige Herausforderung. »Mittellos und verirrt suchten wir Unterschlupf in Meister Nems Scheune. Ich weiß, dass es nicht gut war, aber wir fürchteten die Nacht.« Eine kleine Geste nur – halb erhobene Hände, die Innenseiten ihrer Handgelenke Bryne zugewandt – ließ sie einen Moment lang völlig hilflos erscheinen. Allerdings nur einen Moment lang. »Der Mann Dalyn war an sich ein Fremder für uns, ein Mann, der uns seinen Schutz anbot. Heutzutage müssen alleinstehende Frauen einen Beschützer haben, mein Lord, doch ich fürchte, wir haben eine schlechte Wahl getroffen.« Ihre Augen weiteten sich. Ein hilfesuchender Blick sagte ihm, er sei ein weit besserer Beschützer für sie. »Er hat tatsächlich Meister Nem angegriffen, mein Lord. Wir wären ansonsten geflohen oder hätten zur Bezahlung unserer nächtlichen Unterkunft gearbeitet.« Sie ging um
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