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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dem Schmerbauch, den wässrigen, desillusionierten Augen und dem nervösen, ängstlichen Tonfall entfernt – alles Dinge, die seine älteren Kollegen kennzeichneten. Seine Erwartungen an das Leben – von Anfang an höchst bescheiden – welktenerst seit kurzem dahin wie eine Pflanze, die man in eine dunkle Ecke gestellt hat. Mit drahtigen Muskeln in Armen und Beinen war er immer noch flink wie ein Wiesel, und seine wachen Augen – das rechte Auge litt gelegentlich unter einem nervösen Zucken – lagen hinter der altmodischen, randlosen Brille versteckt. Er hatte den Gang eines Athleten und die Körperhaltung eines Läufers – was er seit seinen Highschooltagen auch war. In der Fakultät schätzte man seinen süffisanten Humor; ein Gegengift, behauptete er, gegen sein unermüdliches Studium der Kausalzusammenhänge von Gewalt. Ducke ich mich nach links, dachte er, habe ich die richtige Schussstellung und bin durch das Pult abgeschirmt. Zwar wäre der Winkel falsch, um das Feuer zu erwidern, aber unmöglich wäre es nicht.
    Er zwang sich zu einer stetigen, sonoren Vortragsweise. »In der Anthropologie gibt es eine Theorie, die besagt, dass diverse primitive Kulturen nicht nur vermehrt Menschen hervorgebracht haben, die sich in der heutigen Gesellschaft wahrscheinlich zu Serienmördern entwickelt hätten, sondern dass man diese Männer sogar verehrt und ihnen eine herausragende Stellung eingeräumt habe.«
    Er ließ den Blick fortgesetzt über die Zuhörer wandern. In der vierten Reihe saß rechts eine junge Frau, die sich nervös auf ihrem Platz wand. Ihre Hände zuckten auf dem Schoß. Amphetaminentzug?, spekulierte er. Kokainabhängige Psychose? Seine Augen schweiften weiter und blieben an einem hoch gewachsenen jungen Mann genau in der Mitte hängen, der trotz des schummrigen Lichts, das die gelben Neonlampen an der Decke über den Hörsaal warfen, eine Sonnenbrille trug. Der Junge saß mit angespannten Muskeln reglos da, als hätte ihn die Paranoia wie mit Stricken an den Stuhl gefesselt. Er hatte die Hände vor sich auf dem Tisch geballt. Aber leer,wie Jeffrey Clayton augenblicklich sah. Leere Hände. Finde die Hände, die eine Waffe verstecken.
    Er hörte seinem eigenen Vortrag zu, als käme seine Stimme von einem Geist, der über seinem Körper schwebte: »Es ist durchaus anzunehmen, dass etwa der Aztekenpriester, der die Aufgabe hatte, seinem Menschenopfer das Herz lebendig herauszureißen, na ja, dass er seinen Beruf genoss. Gesellschaftlich akzeptierter und geachteter Serienmord. Höchst wahrscheinlich ging der Mann jeden Morgen glücklich und zufrieden zur Arbeit – gab seiner Frau ein Küsschen auf die Wange, zauste den Kleinen die Haare, nahm seine Aktentasche, klemmte sich für die U-Bahn-Fahrt das
Wall Street Journal
unter den Arm und freute sich auf einen anregenden Tag am Opferaltar …«
    Er erntete verhaltenes Kichern, das er dazu nutzte, einen Ladestreifen in die Pistole einzulegen, ohne dass das metallische Klicken zu hören war.
    In der Ferne läutete eine Glocke das Ende der Vorlesungsstunde ein. Die rund hundert Studenten im Hörsaal wurden unruhig und fingen an, ihre Jacken und Rucksäcke einzusammeln. Das ist der gefährlichste Moment, dachte er.
    Ans Auditorium gewandt, sagte er laut: »Nächste Woche schreiben wir eine Klausur. Bis dahin sollten Sie alle die Protokolle von Charles Mansons Gefängnisverhören gelesen haben. Sie finden Kopien im Handapparat in der Bibliothek. Sie kommen auf jeden Fall in der Klausur vor …«
    Die Studenten standen auf, und er hatte unter dem Tisch die Pistole fest im Griff. Ein paar der jungen Leute wollten zu ihm nach vorne kommen, doch er winkte sie mit der freien Hand zurück.
    »Die Sprechstundenzeiten hängen draußen aus. Jetzt habe ich keine Zeit …«
    Er sah, wie ein Mädchen zögerte. Neben ihr stand ein junger Mann. Die Arme eines Gewichthebers, das Gesicht von Akne entstellt, wahrscheinlich durch Steroidmissbrauch. Der Professor fragte sich, ob dieselbe stumpfe Schere, mit der der Student die chirurgischen Eingriffe an seinem Sweatshirt vorgenommen hatte, auch für seine Frisur verantwortlich war. Normalerweise hätte er danach gefragt. Die beiden kamen nach vorne.
    »Benutzen Sie den hinteren Ausgang«, wies Clayton sie laut an. Wieder wedelte er mit der Hand. Das Paar zögerte.
    »Ich möchte mit Ihnen über mein Examen reden«, erklärte das Mädchen schmollend.
    »Dann machen Sie einen Termin mit der Universitätssekretärin. Ich sehe

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