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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Sie in meinem Büro.«
    »Es dauert nicht lang«, versuchte sie, ihn zu beschwatzen.
    »Nein«, erwiderte er. »Tut mir leid.« Er sah an ihr vorbei, dann wieder abwechselnd zu ihr und dem Jungen, jederzeit darauf gefasst, dass sich jemand durch das Gewühl der Studenten drängen könnte – eine Waffe in der Hand.
    »Ach kommen Sie, Prof, geben Sie ihr doch ’ne Minute«, quengelte der Freund. Das aufdringliche Beharren passte ebenso gut zu ihm wie das Grinsen, das dank des Eisen-Piercings in der Oberlippe schief geriet. »Sie möchte
jetzt
mit Ihnen reden.«
    »Ich bin beschäftigt«, antwortete Clayton.
    Der Junge kam näher. »Ich glaube nicht, dass Sie so scheißbeschäftigt sind, dass …«
    Doch seine Freundin legte ihm eine Hand auf den Arm, mehr war nicht nötig, um ihn im Zaum zu halten.
    »Ich kann noch einmal wiederkommen«, lenkte sie ein. Sie schenkte Clayton ein kokettes Lächeln und entblößte dabei verfärbte Zähne. »Schon in Ordnung. Ich brauche eine guteNote, und ich kann gerne in Ihr Büro kommen.« Sie verstummte und strich sich mit der Hand durchs Haar, das auf der einen Seite ihrer Schädeldecke kurzgeschoren war, während es ihr auf der anderen in üppigen Locken auf die Schulter fiel. »Unter vier Augen«, fügte sie hinzu.
    Der junge Mann wirbelte herum und fragte sie, mit dem Rücken zum Professor: »Was soll das heißen?«
    »Nichts«, gab sie immer noch lächelnd zurück. »Ich mach einen Termin.«
    Dieses letzte Wort betonte sie verheißungsvoll, wobei sie Clayton anstrahlte und dabei vielsagend die Brauen hochzog. Dann schnappte sie sich ihren Rucksack und machte kehrt. Der Gewichtheber knurrte nur kurz in seine Richtung, dann folgte er eilig der jungen Frau.
    Clayton hörte verebbend ein Drängen: »Was zum Teufel sollte der Scheiß?«, während das Paar die Treppe zum hinteren Teil des Hörsaals hochstieg, bevor es dort im Dunkeln verschwand.
    Mehr Licht, dachte er. In den hinteren Reihen gehen ständig die Glühbirnen kaputt, ohne ersetzt zu werden. Dabei sollte jeder Winkel ausgeleuchtet sein. Er spähte in den Schatten in der Nähe des Ausgangs und fragte sich, ob sich dort jemand versteckt hatte. Er ließ den Blick über die nunmehr leeren Stuhlreihen schweifen und versuchte, auszumachen, ob dort jemand im Hinterhalt lag.
    Der stumme Alarm blinkte immer noch rot. Er hätte gern gewusst, wo das SWAT-Team blieb, bevor ihm klar wurde, dass es nicht kommen würde.
    Er hämmerte sich ein: Ich bin allein.
    Und merkte im nächsten Moment, dass das so nicht stimmte. Die Gestalt rekelte sich lässig auf einem Stuhl ganz weit hinten am Rand der Dunkelheit und wartete. Er konnte die Augennicht erkennen, doch er sah, dass der Mann, obwohl er sich klein zu machen schien, groß und kräftig war.
    Clayton hob die Pistole und richtete sie auf die Gestalt. »Ich bringe Sie um«, drohte er in strengem, ausdruckslosem Ton. Zur Antwort kam ein Lachen aus dem Schatten.
    »Ich werde nicht zögern, Sie zu töten.«
    Das Lachen verebbte, und eine Stimme sagte: »Professor Clayton, Sie erstaunen mich. Begrüßen Sie Ihre Studenten immer mit der Waffe in der Hand?«
    »Wenn ich mich gezwungen sehe«, erwiderte Clayton.
    Die Gestalt erhob sich von ihrem Sitz, und Clayton sah, dass die Stimme zu einem großen, nicht mehr ganz jungen Herrn in einem schlecht sitzenden Anzug mit Weste gehörte. Er hielt eine kleine Mappe in der Hand, die Clayton bemerkte, als der Mann in einer freundlichen Geste die Arme ausbreitete.
    »Ich bin kein Student …«
    »Offensichtlich.«
    »… auch wenn ich die Sache über das Einswerden mit dem Opfer genossen habe. Stimmt das, Professor? Können Sie das belegen? Ich wäre neugierig, die Studien zu sehen, die eine solche Behauptung untermauern. Oder war das aus dem Bauch heraus?«
    »Intuition«, erklärte Clayton, »gepaart mit Erfahrung. Es gibt keine aussagekräftigen klinischen Studien. Hat es noch nie gegeben, und ich bezweifle, dass es je welche geben wird.«
    Der Mann lächelte. »Zweifellos haben Sie Ross und seine bahnbrechende Arbeit über Chromosomendefekte gelesen? Und wie sieht es mit Finch und Alexander und der Michigan-Studie über das genetische Profil von zwanghaften Mördern aus?«
    »Sind mir vertraut«, erwiderte Clayton.
    »Natürlich. Sie waren Ross’ Forschungsassistent. Der erste,den er eingestellt hat, nachdem die Fördermittel bewilligt worden waren. Und mir ist zu Ohren gekommen, dass die andere Studie eigentlich komplett von Ihnen stammt. Unter

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