Das Regenwaldkomplott
eine echte Gefahr, genau wie dieser Dr. José Lutzenberger. Aber zuerst Maputo – an den Mann aus dem Volke war sicherer ranzukommen als an den Gelehrten Lutzenberger.
Voll Freude über die Begeisterung, die ihm auf allen Veranstaltungen entgegenbrauste, kehrte Maputo am 22. Dezember nach Hause zurück. Weihnachten war auch bei ihm ein Familienfest, an dem man sich beschenkte, zur Messe ging und an dem der Tisch mit dem besten Essen des Jahres gedeckt wurde – reichlicher noch als am Neujahrstag.
»Jetzt kannst du dich endlich ausruhen«, meinte Catarina und packte seinen Koffer aus. »Du mußt doch müde sein, mein Schatz.«
»Es war ein einziger Triumph, Rina.« Maputo umarmte und küßte sie und war so fröhlich, wie ihn Catarina selten gesehen hatte. Auch die Kinder küßte er, nahm jedes in seinen Arm und drückte es an sich. »Überall entstehen jetzt Büros unserer Bewegung, im nächsten Jahr, wenn wir genug Geld gesammelt haben, wollen wir eine eigene Zeitung herausgeben, um die Hetze der anderen großen Zeitungen zu widerlegen. Rina, was haben wir noch alles vor! Wir werden in den kommenden Jahren noch viel erreichen. Auch das Ausland spricht jetzt ständig über uns. Ozonloch und Treibhauseffekt sind Worte, die jetzt jeder versteht. Alle wissen nun, daß die Vernichtung unseres Regenwaldes eine große Klimakatastrophe auslöst. Das begreifen sie jetzt endlich! Rina, ist das ein Gefühl, daß ich kleiner armer Mann zu der ganzen Welt sprechen kann! Und sie hört mich und versteht mich!« Er drückte die Kinder wieder an sich. »Wir werden ein schönes Weihnachtsfest haben. Ich habe von den Reisen einige Überraschungen mitgebracht. Nein, nicht fragen, erst am Heiligen Abend bekommt ihr sie zu sehen.«
Als Catarina später am Tag Wäsche hinter dem Haus aufhängte und Maputos Hemden im warmen Wind flatterten, wußten alle: Julio ist zurückgekommen. Er ist Weihnachten unter uns.
Auch die zwei tapferen Söhne von Francisco Santos sahen im fünfzig Meter entfernten Dschungelversteck die Wäsche auf der Leine. Sie sahen sich an, grinsten zufrieden und nickten sich zu.
Sie sahen auch, wie Maputos bester Freund Vasco Torga mit einem Trupp Seringueiros vor dem Haus aus blaugestrichenen Brettern und dem leuchtenden roten Ziegeldach erschien und Maputo zu seinen Erfolgen gratulierte. Catarina brachte Wein und Maisschnaps nach draußen, Gartentische wurden zusammengerückt, ein Seringueiro spielte auf einer Gitarre, und die Leibwachen Maputos verteilten sich um das Haus, niemand konnte sich ihm mehr nähern. Maputo war beschützt.
Am hinteren Zaun stand ein Wächter fünf Meter vor dem Versteck der lauernden Mörder entfernt. Santos' Söhne streckten sich auf dem Dschungelboden aus, zogen die Köpfe ein und die Plane über sich. Zu viele Leute! Julio, du mußt allein sein.
Spät in der Nacht ging das Begrüßungsfest zu Ende. Die meisten Seringueiros taumelten betrunken nach Hause, Vasco Torga setzte sich auf sein Motorrad und knatterte los. Die beiden zum Schutz kommandierten Polizisten José und Zeca warfen sich auf ihre Betten und schnarchten sofort. Catarina räumte draußen die Tische ab und schloß dann die Tür ab.
Maputo saß halb ausgezogen auf dem Ehebett und wartete auf Catarina. Als sie hereinkam, packte er sie um die Hüften und zog sie zu sich aufs Bett.
»Ich liebe dich, Rina«, sagte er leise und zärtlich wie beim erstenmal. »Vergiß das nie, auch über meinen Tod hinaus –«
»Julio, woran denkst du bloß?« Sie umarmte und küßte ihn. »Du bist jetzt ein berühmter Mann, aber ich liebe immer noch den armen Seringueiro mit dem schönen Schnurrbart und den unverschämten Augen.«
Und dann liebten sie sich, innig und lautlos – die ganze Nacht, als sei es die erste und letzte ihres Lebens.
Es gab noch viel zu tun bis Weihnachten.
Maputo saß an seinem Schreibtisch und schrieb seine Eindrücke nieder, die er auf den jüngsten Kundgebungen gesammelt hatte. Dabei entwarf er auch einen Plan für eine bundesweite Partei, die überall in Brasilien ihre Kontaktstellen haben sollte. In zwei Jahren fanden endlich wirklich demokratische Wahlen statt, und Maputo träumte davon, dann eine so starke Partei zu haben, daß er als Abgeordneter ins Parlament kam. Dann war er ein Politiker, und auf einen Politiker würden sie mehr hören als auf einen kleinen Kautschukzapfer. Das war ein hohes Ziel, aber es war zu erreichen. Hunderttausende standen hinter ihm und würden ihn wählen.
Maputo schrieb
Weitere Kostenlose Bücher