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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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Sander zu tun. Ich will, daß Sie den Knaben rund um die Uhr ‚betreuen‘, das volle Programm! Er wird im Pearl Continental wohnen und dort Gespräche mit Vertretern der Regierung der Sindh-Provinz führen, bevor er nach Islamabad fliegt. Ich will Fotos von ihm, und ich will wissen, wen er trifft, was er sagt, was er plant, was er ißt – mit einem Wort: Ich will alles wissen! Auch, was er im Gepäck hat, alle schriftlichen Unterlagen, alle Datenträger. Seine Zimmernummer ist 501. Der Etagenkellner ist instruiert. Das Codewort lautet ‚Missisipi‘. Irgendwelche Fragen?“
    Mit allem hatte Bassett gerechnet, nur nicht mit einer Frage. Doch da klang es jung und wißbegierig aus einer der hinteren Reihen: „Wieso liegt die Thar eher im Fokus unseres Interesses als die Grenzregion zu Afghanistan und Iran?“ Die Frage wurde offensichtlich in hehrer Absicht gestellt, ganz und gar nicht provozierend. Doch Bassett zu fragen, wenn dieser voraussetzte, nicht gefragt zu werden, war grundsätzlich eine Provokation! Er beugte seinen Kopf in den Randbereich des Lichtkegels, leicht geneigt, daß die Schattenkontur seiner Augenbrauen tiefschwarze Gräben in das zerfurchte Gesicht meißelte. Bassett hatte gewaltige Augenbrauen! Die linke hob sich – zeitlupengleich – in die Höhe. Die Prozedur hatte etwas Fallbeilartiges; gleich würde das Schafott niedersausen und dem vorwitzigen Fragesteller den Garaus bereiten. Spott lag in seiner Stimme: „Wie lange sind Sie in Pakistan?“
    „Seit Anfang Juni.“
    „Dachte ich mir. Haben Sie schon mal auf die Landkarte geschaut? Nicht die Westgrenze birgt unkalkulierbare Risiken – die kennen wir zur Genüge! Hierauf stellen wir uns täglich ein, mal mit mehr, in der Regel mit weniger Erfolg. Der Gegner ist bekannt, sein Ziel ist es auch: als Märtyrer schnellstmöglich ins Paradies zu kommen. Ihm hierbei behilflich zu sein, ist unser tägliches Brot. Doch es ist die Ostgrenze Pakistans, die uns weitaus größeres Kopfzerbrechen bereitet, weniger Kaschmir im Norden, als die Thar im Süden. Kaschmir ist ein lokaler Dauerkonflikt, der fällt in die gleiche Kategorie wie die separatistischen Bestrebungen in den Stammesgebieten entlang der Westgrenze. In Kaschmir gibt es außer Landschaft nur wenig zu holen, vielleicht ein wenig Bauxit. Die Thar hingegen wird durch zwei herausragende Fakten gekennzeichnet: das größte fossile Energievorkommen Asiens, wenn nicht der Welt, sowie dessen unmittelbare Grenznähe, nach Norden, Osten und Süden umgeben von indischem Territorium! Zwei Atommächte stehen sich dort am Grenzzaun gegenüber! Die pakistanische Regierung beabsichtigt, in unmittelbarer Grenznähe in den kommenden zehn, fünfzehn Jahren mindestens 12.500 Megawatt zu installieren. Der tatsächliche Bedarf wird von Experten auf 40.000 Megawatt geschätzt! Das entspricht der installierten Leistung New Yorks! Außerdem läßt sich aus Lignit Synthesegas herstellen, Rohstoff für die chemische Industrie, für Kunstdünger, Spreng- und Treibstoffe. Ist Ihnen bewußt, welches Konfliktpotential dort lauert, sollte das Vorkommen industriell erschlossen werden? Hat Ihnen das in Washington niemand gesagt?“
    Wie üblich, wartete Bassett nicht auf Antwort. Mit rascher Tastenfolge hangelte er sich durch Abbildungen und Charts, bis er gefunden hatte, was er suchte: eine Karte der Sindh Province, der wirtschaftlich stärksten Provinz Pakistans. In ihrem äußersten Osten stand allerdings die Thar-Wüste jeglicher Entwicklung entgegen. Bassetts Zeigestock umkreiste diese Region, die wie ein Balkon tief in indisches Territorium ragte. „Da, schauen Sie selbst! Die Thar – umzingelt von Indien! Ausgerechnet dort liegt knapp unter der Oberfläche fossile Energie ohne Ende! Angesichts knapper werdender Öl- und Erdgasreserven löst ein so großes Vorkommen Begehrlichkeiten aus! Bisher konnte man das Wasserproblem nicht lösen, deshalb bestand aus unserer Sicht keine Handlungserfordernis. Das sieht anders aus, sollte Sander zum Zuge kommen.“
    Sichtlich in Fahrt vergaß Bassett erstmals, sich eine neue Zigarette anzuzünden. Die Spitze seines Zeigestocks, eben noch an der Grenze zu Indien unruhig hin und her fahrend, jagte in westlicher Richtung in das Halbdunkel der Projektionswand, um in der Nähe eines Kleiderständers ein großes Oval zu beschreiben. Dort ungefähr mußten Irak, Iran und Afghanistan liegen. Bassetts Stimme vibrierte kaum merklich. Das tat sie immer, wenn er zum Sprung ansetzte.

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