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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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nie gehört hatte. Es war wie wenn sich aus dem Summen zahlloser kindlicher Stimmen – aber auch dieses Summen war keines, sondern war Gesang fernster, allerfernster Stimmen – wie wenn sich aus diesem Summen in einer geradezu unmöglichen Weise eine einzige hohe aber starke Stimme bilde, die an das Ohr schlug so wie wenn sie fordere tiefer einzudringen als nur in das armselige Gehör. K. horchte ohne zu telephonieren, den linken Arm hatte er auf das Telephonpult gestützt und horchte so.
    Er wußte nicht wie lange, so lange bis ihn der Wirt am Rocke zupfte, ein Bote sei für ihn gekommen. »Weg«, schrie K. unbeherrscht, vielleicht in das Telephon hinein, denn nun meldete sich jemand. Es entwickelte sich folgendes Gespräch: »Hier Oswald, wer dort?« rief es, eine strenge hochmütige Stimme, mit einem kleinen Sprachfehler, wie K. schien, den sie über sich selbst hinaus durch eine weitere Zugabe von Strenge auszugleichen versuchte. K. zögerte sich zu nennen, dem Telephon gegenüber war er wehrlos, der andere konnte ihn niederdonnern, die Hörmuschel weglegen und K. hatte sich einen vielleicht nicht unwichtigen Weg versperrt. K.’s Zögern machte den Mann ungeduldig. »Wer dort?« wiederholte er und fügte hinzu: »es wäre mir sehr lieb, wenn dortseits nicht so viel telephoniert würde, erst vor einem Augenblick ist telephoniert worden.« K. ging auf diese Bemerkung nicht ein und meldete mit einem plötzlichen Entschluß: »Hier der Gehilfe des Herrn Landvermessers.« »Welcher Gehilfe? Welcher Herr? Welcher Landvermesser?« K. fiel das gestrige Telephongespräch ein, »Fragen Sie Fritz«, sagte er kurz. Es half, zu seinem eigenen Erstaunen. Aber mehr noch als darüber, daß es half, staunte er über die Einheitlichkeit des Dienstes dort. Die Antwort war: »Ich weiß schon. Der ewige Landvermesser. Ja, ja. Was weiter? Welcher Gehilfe?« »Josef«, sagte K. Ein wenig störte ihn hinter seinem Rücken das Murmeln der Bauern, offenbar waren sie nicht damit einverstanden, daß er sich nicht richtig meldete. K. hatte aber keine Zeit sich mit ihnen zu beschäftigen, denn das Gespräch nahm ihn sehr in Anspruch. »Josef?« fragte es zurück. »Die Gehilfen heißen« – eine kleine Pause, offenbar verlangte er die Namen jemandem andern ab – »Artur und Jeremias.« »Das sind die neuen Gehilfen«, sagte K. »Nein, das sind die alten.« »Es sind die neuen, ich aber bin der alte, der dem Herrn Landvermesser heute nachkam.« »Nein«, schrie es nun. »Wer bin ich also?« fragte K. ruhig wie bisher. Und nach einer Pause sagte die gleiche Stimme mit dem gleichen Sprachfehler und war doch wie eine andere tiefere achtungswertere Stimme: »Du bist der alte Gehilfe.«
    K. horchte dem Stimmklang nach und überhörte dabei fast die Frage: »Was willst Du?« Am liebsten hätte er den Hörer schon weggelegt. Von diesem Gespräch erwartete er nichts mehr. Nur gezwungen fragte er noch schnell: »Wann darf mein Herr ins Schloß kommen?« »Niemals«, war die Antwort. »Gut«, sagte K. und hing den Hörer an.
    Hinter ihm die Bauern waren schon ganz nah an ihn herangerückt. Die Gehilfen waren mit vielen Seitenblicken nach ihm damit beschäftigt die Bauern von ihm abzuhalten. Es schien aber nur Komödie zu sein, auch gaben die Bauern, von dem Ergebnis des Gespräches befriedigt, langsam nach. Da wurde ihre Gruppe von hinten mit raschem Schritt von einem Mann geteilt, der sich vor K. verneigte und ihm einen Brief übergab. K. behielt den Brief in der Hand und sah den Mann an, der ihm im Augenblick wichtiger schien. Es bestand eine große Ähnlichkeit zwischen ihm und den Gehilfen, er war-so schlank wie sie, ebenso knapp gekleidet, auch so gelenkig und flink wie sie, aber doch ganz anders. Hätte K. doch lieber ihn als Gehilfen gehabt! Ein wenig erinnerte er ihn an die Frau mit dem Säugling, die er beim Gerbermeister gesehen hatte. Er war fast weiß gekleidet, das Kleid war wohl nicht aus Seide, es war ein Winterkleid wie alle andern, aber die Zartheit und Feierlichkeit eines Seidenkleides hatte es. Sein Gesicht war hell und offen, die Augen übergroß. Sein Lächeln war ungemein aufmunternd; er fuhr mit der Hand über sein Gesicht, so als wolle er dieses Lächeln verscheuchen, doch gelang ihm das nicht. »Wer bist Du?« fragte K. »Barnabas heiße ich«, sagte er, »ein Bote bin ich.« Männlich und doch sanft öffneten und schlossen sich seine Lippen beim Reden. »Gefällt es Dir hier?« fragte K. und zeigte auf die Bauern,

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