Das Schloß
»Nein«, sagte Barnabas. Sein Blick schien mehr zu sagen, als seine Worte. Vielleicht täuschte sich K. hier im Guten, wie bei den Bauern im Bösen, aber das Wohltuende seiner Gegenwart blieb. »Es ist auch von Dir in dem Brief die Rede, Du sollst nämlich hie und da Nachrichten zwischen mir und dem Vorstand vermitteln, deshalb hatte ich gedacht, daß Du den Inhalt kennst.« »Ich bekam«, sagte Barnabas, »nur den Auftrag den Brief zu übergeben, zu warten, bis er gelesen ist, und, wenn es Dir nötig scheint, eine mündliche oder schriftliche Antwort zurückzubringen.« »Gut«, sagte K., »es bedarf keines Schreibens, richte dem Herrn Vorstand – wie heißt er denn? Ich konnte die Unterschrift nicht lesen.« »Klamm«, sagte Barnabas. »Richte also Herrn Klamm meinen Dank für die Aufnahme aus wie auch für seine besondere Freundlichkeit, die ich als einer, der sich hier noch gar nicht bewährt hat, zu schätzen weiß. Ich werde mich vollständig nach seinen Absichten verhalten. Besondere Wünsche habe ich heute nicht.« Barnabas, der genau aufgemerkt hatte, bat den Auftrag vor K. wiederholen zu dürfen, K. erlaubte es, Barnabas wiederholte alles wortgetreu. Dann stand er auf, um sich zu verabschieden.
Die ganze Zeit über hatte K. sein Gesicht geprüft, nun tat er es zum letztenmal. Barnabas war etwa so groß wie K., trotzdem schien sein Blick sich zu K. zu senken, aber fast demütig geschah das, es war unmöglich daß dieser Mann jemanden beschämte. Freilich, er war nur ein Bote, kannte nicht den Inhalt der Briefe, die er auszutragen hatte, aber auch sein Blick, sein Lächeln, sein Gang schien eine Botschaft zu sein, mochte er auch von dieser nichts wissen. Und K. reichte ihm die Hand, was ihn offenbar überraschte, denn er hatte sich nur verneigen wollen.
Gleich als er gegangen war – vor dem Öffnen der Tür hatte er noch ein wenig mit der Schulter an der Tür gelehnt und mit einem Blick, der keinem Einzelnen mehr galt, die Stube umfaßt – sagte K. zu den Gehilfen: »Ich hole aus dem Zimmer meine Aufzeichnungen, dann besprechen wir die nächste Arbeit.« Sie wollten mitgehn. »Bleibt!« sagte K. Sie wollten noch immer mitgehn. Noch strenger mußte K. den Befehl wiederholen. Im Flur war Barnabas nicht mehr. Aber er war doch eben jetzt weggegangen. Doch auch vor dem Haus – neuer Schnee fiel – sah K. ihn nicht. Er rief: Barnabas! Keine Antwort. Sollte er noch im Haus sein? Es schien keine andere Möglichkeit zu geben. Trotzdem schrie K. noch aus aller Kraft den Namen, der Namen donnerte durch die Nacht. Und aus der Ferne kam nun doch eine schwache Antwort, so weit war also Barnabas schon. K. rief ihn zurück und ging ihm gleichzeitig entgegen; wo sie einander trafen, waren sie vom Wirtshaus nicht mehr zu sehn.
»Barnabas«, sagte K. und konnte ein Zittern seiner Stimme nicht bezwingen, »ich wollte Dir noch etwas sagen. Ich merke dabei, daß es doch recht schlecht eingerichtet ist, daß ich nur auf Dein zufälliges Kommen angewiesen bin, wenn ich etwas aus dem Schloß brauche. Wenn ich Dich jetzt nicht zufällig noch erreicht hätte – wie Du fliegst, ich dachte Du wärest noch im Haus – wer weiß wie lange ich auf Dein nächstes Erscheinen hätte warten müssen.« »Du kannst ja«, sagte Barnabas, »den Vorstand bitten, daß ich immer zu bestimmten von Dir angegebenen Zeiten komme.« »Auch das würde nicht genügen«, sagte K., »vielleicht will ich ein Jahr lang gar nichts sagen lassen, aber gerade eine Viertelstunde nach Deinem Weggehn etwas Unaufschiebbares.« »Soll ich also«, sagte Barnabas, »dem Vorstand melden, daß zwischen ihm und Dir eine andere Verbindung hergestellt werden soll, als durch mich.« »Nein, nein«, sagte K., »ganz und gar nicht, ich erwähne diese Sache nur nebenbei, diesmal habe ich Dich ja noch glücklich erreicht.« »Wollen wir«, sagte Barnabas, »ins Wirtshaus zurückgehn, damit Du mir dort den neuen Auftrag geben kannst?« Schon hatte er einen Schritt weiter zum Haus hin gemacht. »Barnabas«, sagte K., »es ist nicht nötig, ich gehe ein Stückchen Wegs mit Dir.« »Warum willst Du nicht ins Wirtshaus gehn?« fragte Barnabas. »Die Leute stören mich dort«, sagte K., »die Zudringlichkeit der Bauern hast Du selbst gesehn.« »Wir können in Dein Zimmer gehn«, sagte Barnabas. »Es ist das Zimmer der Mägde«, sagte K., »schmutzig und dumpf; um dort nicht bleiben zu müssen, wollte ich ein wenig mit Dir gehn, Du mußt nur«, fügte K. hinzu, um sein
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