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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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gegen die Nachtverhöre und ihre vielleicht nur scheinbaren Nachteile zu sichern suchen so gut es geht. Das tun sie ja auch undzwar in größtem Ausmaß, sie lassen nur Verhandlungsgegenstände zu, von denen in jenem Sinne möglichst wenig zu befürchten ist, prüfen sich vor den Verhandlungen genau und sagen, wenn das Ergebnis der Prüfung es verlangt auch noch im letzten Augenblick, alle Einvernahmen ab, stärken sich, indem sie eine Partei oft zehnmal berufen, ehe sie sie wirklich vornehmen, lassen sich gern von Kollegen vertreten, welche für den betreffenden Fall unzuständig sind und ihn daher mit größerer Leichtigkeit behandeln können, setzen die Verhandlungen wenigstens auf den Anfang oder das Ende der Nacht an und vermeiden die mittleren Stunden – solcher Maßnahmen gibt es noch viele; sie lassen sich nicht leicht beikommen, die Sekretäre, sie sind fast ebenso widerstandsfähig, wie verletzlich.« K. schlief, es war zwar kein eigentlicher Schlaf, er hörte Bürgels Worte vielleicht besser als während des frühern totmüden Wachens, Wort für Wort schlug an sein Ohr, aber das lästige Bewußtsein war geschwunden, er fühlte sich frei, nicht Bürgel hielt ihn mehr, nur er tastete noch manchmal nach Bürgel hin, er war noch nicht in der Tiefe des Schlafs, aber eingetaucht in ihn war er, niemand sollte ihm das mehr rauben. Und es war ihm, als sei ihm damit ein großer Sieg gelungen und schon war auch eine Gesellschaft da es zu feiern und er oder auch jemand anderer hob das Champagnerglas zu Ehren des Sieges. Und damit alle wissen sollten, um was es sich handle, wurde der Kampf und der Sieg noch einmal wiederholt oder vielleicht gar nicht wiederholt sondern fand erst jetzt statt und war schon früher gefeiert worden und es wurde darin nicht abgelassen ihn zu feiern, weil der Ausgang glücklicher Weise gewiß war. Ein Sekretär, nackt, sehr ähnlich der Statue eines griechischen Gottes, wurde von K. im Kampf bedrängt. Es war sehr komisch und K. lächelte darüber sanft im Schlaf, wie der Sekretär aus seiner stolzen Haltung durch K.’s Vorstöße immer aufgeschreckt wurde und etwa den hochgestreckten Arm und die geballte Faust schnell dazu verwenden mußte um seine Blößen zu decken und doch damit noch immer zu langsam war. Der Kampf dauerte nicht lange, Schritt für Schritt und es waren sehr große Schritte rückte K. vor. War es überhaupt ein Kampf? Es gab kein ernstliches Hindernis, nur hie und da ein Piepsen des Sekretärs. Dieser griechische Gott piepste wie ein Mädchen, das gekitzelt wird. Und schließlich war er fort; K. war allein in einem großen Raum, kampfbereit drehte er sich herum und suchte den Gegner, es war aber niemand mehr da, auch die Gesellschaft hatte sich verlaufen, nur das Champagnerglas lag zerbrochen auf der Erde, K. zertrat es völlig. Die Scherben aber stachen, zusammenzuckend erwachte er doch wieder, ihm war übel, wie einem kleinen Kind, wenn es geweckt wird, trotzdem streifte ihn beim Anblick der entblößten Brust Bürgels vom Traum her der Gedanke: »Hier hast Du ja Deinen griechischen Gott! Reiß ihn doch aus den Federn!« »Es gibt aber«, sagte Bürgel, nachdenklich das Gesicht zur Zimmerdecke erhoben, als suche er in der Erinnerung nach Beispielen, könne aber keine finden, »es gibt aber dennoch trotz aller Vorsichtsmaßregeln für die Parteien eine Möglichkeit, diese nächtliche Schwäche der Sekretäre, immer vorausgesetzt daß es eine Schwäche ist, für sich auszunützen. Freilich eine sehr seltene oder besser gesagt eine fast niemals vorkommende Möglichkeit. Sie besteht darin, daß die Partei mitten in der Nacht unangemeldet kommt. Sie wundern sich vielleicht, daß dies, trotzdem es so naheliegend scheint, gar so selten geschehen soll. Nun ja, Sie sind mit unseren Verhältnissen nicht vertraut. Aber auch Ihnen dürfte doch schon die Lückenlosigkeit der amtlichen Organisation aufgefallen sein. Aus dieser Lückenlosigkeit aber ergibt sich, daß jeder der irgendein Anliegen hat oder der aus sonstigen Gründen über etwas verhört werden muß, sofort, ohne Zögern, meistens sogar noch ehe er selbst sich die Sache zurechtgelegt hat, ja noch ehe er selbst von ihr weiß, schon die Vorladung erhält. Er wird diesmal noch nicht einvernommen, meistens noch nicht einvernommen, so reif ist die Angelegenheit gewöhnlich noch nicht, aber die Vorladung hat er, unangemeldet, d.h. gänzlich überraschend kann er nicht mehr kommen, er kann höchstens zur Unzeit kommen, nun,

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