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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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größte Zuständigkeit für den Fall besitzt, hier entscheidet die Organisation und ihre besondern augenblicklichen Bedürfnisse. Dies ist die Sachlage. Und nun erwägen Sie Herr Landvermesser die Möglichkeit, daß eine Partei durch irgendwelche Umstände trotz der Ihnen schon beschriebenen, im allgemeinen völlig ausreichenden Hindernisse dennoch mitten in der Nacht einen Sekretär überrascht, der eine gewisse Zuständigkeit für den betreffenden Fall besitzt. An eine solche Möglichkeit haben Sie wohl noch nicht gedacht? Das will ich Ihnen gern glauben. Es ist ja auch nicht nötig an sie zu denken, denn sie kommt ja fast niemals vor. Was für ein sonderbar und ganz bestimmt geformtes, kleines und geschicktes Körnchen müßte eine solche Partei sein, um durch das unübertreffliche Sieb durchzugleiten. Sie glauben es kann gar nicht vorkommen? Sie haben Recht, es kann gar nicht vorkommen. Aber eines Nachts – wer kann für alles bürgen? – kommt es doch vor. Ich kenne unter meinen Bekannten allerdings niemanden, dem es schon geschehen wäre; nun beweist das zwar sehr wenig, meine Bekanntschaft ist im Vergleich zu den hier in Betracht kommenden Zahlen beschränkt und außerdem ist es auch gar nicht sicher, daß ein Sekretär, dem etwas derartiges geschehen ist, es auch gestehen will, es ist immerhin eine sehr persönliche und gewissermaßen die amtliche Scham eng berührende Angelegenheit. Immerhin beweist aber meine Erfahrung vielleicht, daß es sich um eine so seltene, eigentlich nur dem Gerücht nach vorhandene, durch gar nichts anderes bestätigte Sache handelt, daß es also sehr übertrieben ist sich vor ihr zu fürchten. Selbst wenn sie wirklich geschehen sollte, kann man sie – sollte man glauben – förmlich dadurch unschädlich machen, daß man ihr, was sehr leicht ist, beweist, für sie sei kein Platz auf dieser Welt. Jedenfalls ist es krankhaft, wenn man sich aus Angst vor ihr etwa unter der Decke versteckt und nicht wagt hinauszuschauen. Und selbst wenn die vollkommene Unwahrscheinlichkeit plötzlich hätte Gestalt bekommen sollen, ist denn schon alles verloren? Im Gegenteil. Daß alles verloren sei, ist noch unwahrscheinlicher als das Unwahrscheinlichste. Freilich, wenn die Partei im Zimmer ist, ist es schon sehr schlimm. Es beengt das Herz. ‚Wie lange wirst Du Widerstand leisten können?’ fragt man sich. Es wird aber gar kein Widerstand sein, das weiß man. Sie müssen sich die Lage nur richtig vorstellen. Die niemals gesehene, immer erwartete, mit wahrem Durst erwartete und immer vernünftiger Weise als unerreichbar angesehene Partei sitzt da. Schon durch ihre stumme Anwesenheit ladet sie ein in ihr armes Leben einzudringen, sich darin umzutun wie in eigenem Besitz und dort unter ihren vergeblichen Forderungen mitzuleiden. Diese Einladung in der stillen Nacht ist berückend. Man folgt ihr und hat nun eigentlich aufgehört Amtsperson zu sein. Es ist eine Lage in der es schon bald unmöglich wird eine Bitte abzuschlagen. Genau genommen ist man verzweifelt, noch genauer genommen ist man sehr glücklich. Verzweifelt, denn diese Wehrlosigkeit, mit der man hier sitzt und auf die Bitte der Partei wartet und weiß daß man sie, wenn sie einmal ausgesprochen ist, erfüllen muß, wenn sie auch, wenigstens soweit man es selbst übersehen kann, die Amtsorganisation förmlich zerreißt – das ist ja wohl das Ärgste, was einem in der Praxis begegnen kann. Vor allem – von allem andern abgesehen – weil es auch eine über alle Begriffe gehende Rangerhöhung ist, die man hier für den Augenblick für sich gewaltsam in Anspruch nimmt. Unserer Stellung nach sind wir ja gar nicht befugt, Bitten wie die um die es sich hier handelt zu erfüllen, aber durch die Nähe dieser nächtlichen Partei wachsen uns gewissermaßen auch die Amtskräfte, wir verpflichten uns zu Dingen, die außerhalb unseres Bereiches sind, ja wir werden sie auch ausführen, die Partei zwingt uns in der Nacht wie der Räuber im Wald Opfer ab, deren wir sonst niemals fähig wären – nun gut, so ist es jetzt, wenn die Partei noch da ist, uns stärkt und zwingt und aneifert und alles noch halb besinnungslos im Gange ist, wie wird es aber nachher sein, wenn es vorüber ist, die Partei gesättigt und unbekümmert uns verläßt und wir dastehn, allein, wehrlos im Angesicht unseres Amtsmißbrauches – das ist gar nicht auszudenken. Und trotzdem sind wir glücklich. Wie selbstmörderisch das Glück sein kann. Wir könnten uns ja

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