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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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    Gabriel Galen
     
     
                                                          Der goldene Greif
     
     
    1. Eine schicksalhafte Begegnung
     
    Grollend krachte der Donner gegen die schroffen Felswände. Der wütende Sturm ve r schlang jedoch das Echo, und selbst die gleißenden Blitze konnten den dichten Vorhang des niede r strömenden Regens kaum durchdringen.
    Die naßschweren Schwingen der verwundeten Greifin konnten ihren gewaltigen Körper kaum noch tragen, als sie mit letzter Kraft versuchte, die Höhe des auf einer Felsnase thr o nenden Adlerhorstes zu erreichen.
    Geschwächt von der Wunde an ihrer Seite, in der noch der abgebrochene Pfeil steckte, und schwerfällig durch die Last der Eier in ihrem Leib, kämpfte sie fast vergeblich gegen die G e walt des Sturms an. Sie erkannte, daß ihre Wunde tödlich war und ihr nur noch kurze Zeit blieb, den Horst zu erreichen, der die einzige Hoffnung für ihren Nachwuchs war. Aber sie wußte auch, daß ihr Unternehmen fast au s sichtslos war. Beide Adler saßen im Nest, und sie mußte sie zunächst vertreiben, um ihre eigenen Eier hineinlegen zu können. Dabei durfte sie die Vögel nicht ve r letzen, denn die Adler sollten für die Aufzucht ihrer Jungen sorgen, die sie selbst niemals sehen würde.
    Würde ihr aber genug Kraft verbleiben, den Kampf zu bestehen, denn die riesigen Adler wü r den sich wohl kaum ohne Gegenwehr vertreiben lassen?
    Ein heißer Schmerz zuckte von der Wunde durch ihre Brust, der die gewaltigen Schwingen fast erlahmen ließ. Dann jedoch hatte die Greifin den Adlerhorst e r reicht.
    Kampfbereit zischend, mit gespreiztem Flügel , die scharfen Schnäbel drohend geöffnet, e r wartete das Adlerpaar den mächtigen Eindringling. Scharfe Krallen rissen Stücke aus dem seid i gen Fell der Angreiferin, dessen goldener Glanz erloschen und von Blut und Schmutz übe r krustet war.
    Doch dann fegte die Greifin mit zwei mächtigen Hieben ihrer Klauen die Verteidiger vom Rand des Horstes. Taumelnd stürzten sie in die Tiefe, hatten sich jedoch bald wieder gefa n gen und attackierten nun die Greifin erneut von außerhalb des Nestes. Zwei weitere furch t bare Hiebe vertrieben aber nun die Vögel endgültig aus der N ä he des Horstes. Sie ließen sich in einiger Entfernung auf einem Felsvorsprung nieder und beobachteten ve r stört, was dort in ihrer Behausung vorging.
    Erschöpft ließ sich die Greifin nieder. Heftige Krämpfe schüttelten ihren Leib, als sich nun die Geburt des ersten Eis ankündigte. Und dann lag es im Nest: äußerlich nur durch seine Größe vom Gelege der Adler zu unterscheiden - und doch barg sein Inhalt den Lebensfu n ken eines der mächtigsten Wesen seiner Zeit!
    Die Fänge der Greifin umschlossen eines der Adlereier. Ungesehen von den Altv ö geln warf sie es über den Nestrand. Sie kam nicht mehr dazu, auch noch das zweite Ei zu entfernen. Mit scharfem  Schmerz umkrallte der Tod das Herz der Greifin, und sie stürzte lautlos in die Tiefe.
     
    Nach kurzer Zeit kehrten die Adler zum Horst zurück und fanden ihr Gelege unve r sehrt und vollzählig. Den Größenunterschied des einen Eis schienen sie nicht zu beachten. Nichtsa h nend setzte das Adle r weibchen sein Brutgeschäft fort.
    Auf dem dunklen Grund der Schlucht lag der zerschmetterte Körper der Greifin - doch hoch oben auf dem Felsen wuchs ihr Nachkomme dem Leben entgegen.
     
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    Wochen vergingen. Ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten hatten die Adler das zweite Ei nicht entfernt, nachdem das erste Junge geschlüpft war. Und so kam der Tag, an dem es sich auch im zweiten Ei zu regen begann. Die Schale barst. Naß, die winzigen Flügel eng an den flaumigen Leib gepreßt, schlüpfte der junge Greif.
    Zärtlich zog das Adlerweibchen das kleine Geschöpf unter ihre Brustfedern, wo es sich eng an seinen Ziehbruder schmiegte. Das Adlerweibchen schien nichts Außergewöhnliches an seinem zweiten Kind zu bemerken.
    Gut versorgt von den Altvögeln wuchsen die beiden Jungen heran. Bald übertraf der kleine Greif jedoch das Adlerjunge und kurze Zeit später auch die Pflegeeltern an Größe. Une r müdlich plagten sich die Adler, den gewaltigen Appetit ihres Zöglings zu stillen und auch den al l zeit hungrigen eigenen Nachkommen zu versorgen.
    Der junge Greif gedieh prächtig.

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