Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
dem Zeigefinger an den Lippen gab er seinem Begleiter ein Zeichen zu schweigen, zerriß – K. war noch lange nicht bei ihm – den Zettel in kleine Stücke und steckte sie in die Tasche. Es war wohl die erste Unregelmäßigkeit, die K. hier im Bureaubetrieb gesehen hatte, allerdings war es möglich, daß er auch sie unrichtig verstand. Und selbst wenn es eine Unregelmäßigkeit war, war sie zu verzeihn, bei den Verhältnissen, die hier herrschten, konnte der Diener nicht fehlerlos arbeiten, einmal mußte der angesammelte Ärger, die angesammelte Unruhe ausbrechen, und äußerte sie sich nur im Zerreißen eines kleinen Zettels war es noch unschuldig genug. Noch immer gellte ja die Stimme des durch nichts zu beruhigenden Herrn durch den Gang und die Kollegen, die in anderer Hinsicht sich nicht sehr freundschaftlich zu einander verhielten, schienen hinsichtlich des Lärms völlig einer Meinung zu sein, es war allmählich, als habe der Herr die Aufgabe übernommen, Lärm für alle zu machen, die ihn nur durch Zurufe und Kopfnicken aufmunterten, bei der Sache zu bleiben. Aber nun kümmerte sich der Diener gar nicht mehr darum, er war mit seiner Arbeit fertig, zeigte auf den Handgriff des Wägelchens, daß ihn der andere Diener fasse und so zogen sie wieder weg, wie sie gekommen waren, nur zufriedener und so schnell, daß das Wägelchen vor ihnen hüpfte. Nur einmal zuckten sie noch zusammen und blickten zurück, als der immerfort schreiende Herr, vor dessen Tür sich jetzt K. umhertrieb, weil er gern verstanden hätte, was der Herr eigentlich wollte, mit dem Schreien offenbar nicht mehr das Auskommen fand, wahrscheinlich den Knopf einer elektrischen Glocke entdeckt hatte und wohl entzückt darüber, so entlastet zu sein, statt des Schreiens jetzt ununterbrochen zu läuten anfieng. Daraufhin begann ein großes Gemurmel in den andern Zimmern, es schien Zustimmung zu bedeuten, der Herr schien etwas zu tun, was alle gern schon längst getan hätten und nur aus unbekanntem Grunde hatten unterlassen müssen. War es vielleicht die Bedienung, vielleicht Frieda, die der Herr herbeiläuten wollte? Da mochte er lange läuten. Frieda war ja damit beschäftigt, Jeremias in nasse Tücher zu wickeln und selbst wenn er schon gesund sein sollte, hatte sie keine Zeit, denn dann lag sie in seinen Armen. Aber das Läuten hatte doch sofort eine Wirkung. Schon eilte aus der Ferne der Herrenhofwirt selbst herbei, schwarz gekleidet und zugeknöpft wie immer; aber es war als vergesse er seine Würde, so lief er; die Arme hatte er halb ausgebreitet, so als sei er wegen eines großen Unglücks gerufen und komme um es zu fassen und an seiner Brust gleich zu ersticken; und unter jeder kleinen Unregelmäßigkeit des Läutens schien er kurz hochzuspringen und sich noch mehr zu beeilen. Ein großes Stück hinter ihm erschien nun auch noch seine Frau, auch sie lief mit ausgebreiteten Armen, aber ihre Schritte waren kurz und geziert und K. dachte, sie werde zu spät kommen, der Wirt werde inzwischen schon alles Nötige getan haben. Und um dem Wirt für seinen Lauf Platz zu machen, stellte sich K. eng an die Wand. Aber der Wirt blieb gerade bei K. stehn, als sei dieser sein Ziel, und gleich war auch die Wirtin da und beide überhäuften ihn mit Vorwürfen, die er in der Eile und Überraschung nicht verstand, besonders da sich auch die Glocke des Herrn einmischte und sogar andere Glocken zu arbeiten begannen, jetzt nicht mehr aus Not, sondern nur zum Spiel und im Überfluß der Freude. K. war, weil ihm viel daran lag, seine Schuld genau zu verstehn, sehr damit einverstanden, daß ihn der Wirt unter den Arm nahm und mit ihm aus diesem Lärm fortging, der sich immerfort noch steigerte, denn hinter ihnen – K. drehte sich gar nicht um, weil der Wirt und noch mehr von der andern Seite her die Wirtin auf ihn einredeten – öffneten sich nun die Türen ganz, der Gang belebte sich, ein Verkehr schien sich dort zu entwickeln, wie in einem lebhaften engen Gäßchen, die Türen vor ihnen warteten offenbar ungeduldig darauf, daß K. endlich vorüberkomme, damit sie die Herren entlassen könnten und in das alles hinein läuteten, immer wieder angeschlagen, die Glocken, wie um einen Sieg zu feiern. Nun endlich – sie waren schon wieder in dem stillen weißen Hof, wo einige Schlitten warteten – erfuhr K. allmählich, um was es sich handelte. Weder der Wirt noch die Wirtin konnten begreifen, daß K. etwas derartiges zu tun hatte wagen können. Aber was hatte

Weitere Kostenlose Bücher