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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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schließen, daß es in ihrer Art eine ganz andere Müdigkeit war als jene K.’s. Hier war es wohl die Müdigkeit inmitten glücklicher Arbeit, etwas was nach außenhin wie Müdigkeit aussah und eigentlich unzerstörbare Ruhe, unzerstörbarer Frieden war. Wenn man mittags ein wenig müde ist, so gehört das zum glücklichen natürlichen Verlauf des Tags. Die Herren hier haben immerfort Mittag, sagte sich K.
    Und es stimmte sehr damit überein, daß es jetzt um fünf Uhr schon überall zu Seiten des Ganges lebendig wurde. Dieses Stimmengewirr in den Zimmern hatte etwas äußerst Fröhliches. Einmal klang es wie der Jubel von Kindern, die sich zu einem Ausflug bereitmachen, ein andermal wie der Aufbruch im Hühnerstall, wie die Freude, in völliger Übereinstimmung mit dem erwachenden Tag zu sein, irgendwo ahmte sogar ein Herr den Ruf eines Hahnes nach. Der Gang selbst war zwar noch leer, aber die Türen waren schon in Bewegung, immer wieder wurde eine ein wenig geöffnet und schnell wieder geschlossen, es schwirrte im Gang von solchen Türöffnern und -schließern, hie und da sah K. auch oben im Spalt der nicht bis zur Decke reichenden Wände morgendlich zerraufte Köpfe erscheinen und gleich verschwinden. Aus der Ferne kam langsam ein kleines von einem Diener geführtes Wägelchen, welches Akten enthielt. Ein zweiter Diener ging daneben, hatte ein Verzeichnis in der Hand und verglich danach offenbar die Nummern der Türen mit jenen der Akten. Vor den meisten Türen blieb das Wägelchen stehn, gewöhnlich öffnete sich dann auch die Tür und die zugehörigen Akten, manchmal auch nur ein Blättchen – in solchen Fällen entspann sich ein kleines Gespräch vom Zimmer zum Gang, wahrscheinlich wurden dem Diener Vorwürfe gemacht – wurde ins Zimmer hineingereicht. Blieb die Tür geschlossen, wurden die Akten sorgfältig auf der Türschwelle aufgehäuft. In solchen Fällen schien es K. als ob die Bewegung der Türen in der Umgebung nicht nachließe, trotzdem auch dort schon die Akten verteilt worden waren, sondern eher sich verstärke. Vielleicht lugten die andern begehrlich nach den auf der Türschwelle unbegreiflicher Weise noch unbehoben liegenden Akten, sie konnten nicht verstehn, wie jemand nur die Tür zu öffnen brauche, um in den Besitz seiner Akten zu kommen und es doch nicht tue; vielleicht war es sogar möglich, daß endgiltig unbehobene Akten später unter die andern Herren verteilt wurden, welche schon jetzt durch häufiges Nachschauen sich überzeugen wollten, ob die Akten noch immer auf der Schwelle liegen und ob also noch immer für sie Hoffnung vorhanden sei. Übrigens waren diese liegen gebliebenen Akten meistens besonders große Bündel und K. nahm an, daß sie aus einer gewissen Prahlerei oder Bosheit oder auch aus berechtigtem, die Kollegen aufmunterndem Stolz vorläufig liegen gelassen worden waren. In dieser Annahme bestärkte es ihn, daß manchmal, immer wenn er gerade nicht hinsah, der Pack, nachdem er lange genug zur Schau gestellt gewesen war, plötzlich und eiligst ins Zimmer hineingezogen wurde und die Tür dann wieder unbeweglich wie früher blieb; auch die Türen in der Umgebung beruhigten sich dann, enttäuscht oder auch zufrieden damit, daß dieser Gegenstand fortwährender Reizung endlich beseitigt war, doch kamen sie dann allmählich wieder in Bewegung.
    K. betrachtete das alles nicht nur mit Neugier, sondern auch mit Teilnahme. Er fühlte sich fast wohl inmitten des Getriebes, sah hierhin und dorthin und folgte – wenn auch in entsprechender Entfernung – den Dienern, die sich freilich schon öfters mit strengem Blick, gesenktem Kopf, aufgeworfenen Lippen nach ihm umgewandt hatten, und sah ihrer Verteilungsarbeit zu. Sie ging, je weiter sie fortschritt, immer weniger glatt von statten, entweder stimmte das Verzeichnis nicht ganz oder waren die Akten für den Diener nicht immer gut unterscheidbar oder erhoben die Herren aus andern Gründen Einwände, jedenfalls kam es vor, daß manche Verteilungen rückgängig gemacht werden mußten, dann fuhr das Wägelchen zurück und es wurde durch den Türspalt wegen Rückgabe von Akten verhandelt. Diese Verhandlungen machten schon an sich große Schwierigkeiten, es kam aber häufig genug vor, daß, wenn es sich um die Rückgabe handelte, gerade Türen, die früher in der lebhaftesten Bewegung gewesen waren, jetzt unerbittlich geschlossen blieben, wie wenn sie von der Sache gar nichts mehr wissen wollten. Dann begannen erst die eigentlichen

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