Das Schloß
Ende gemacht hätten. Sollte er zur Verantwortung gezogen werden, werde ihm das sehr willkommen sein, denn nur so könne er eine allgemeine Mißdeutung seines Benehmens verhindern. Nur Müdigkeit und nichts anderes sei daran schuld gewesen. Diese Müdigkeit aber stamme daher, daß er an die Anstrengung der Verhöre noch nicht gewöhnt sei. Er sei ja noch nicht lange hier. Werde er darin einige Erfahrung haben, werde etwas ähnliches nicht wieder vorkommen können. Vielleicht nehme er die Verhöre zu ernst aber das sei doch wohl an sich kein Nachteil. Er habe zwei Verhöre kurz nacheinander durchzumachen gehabt, eines bei Bürgel und das zweite bei Erlanger, besonders das erste habe ihn sehr erschöpft, das zweite allerdings habe nicht lange gedauert, Erlanger habe ihn nur um eine Gefälligkeit gebeten, aber beide zusammen seien mehr als er auf einmal ertragen könne, vielleicht wäre etwas derartiges auch für einen andern, etwa den Herrn Wirt zuviel. Aus dem zweiten Verhör sei er eigentlich nur schon fortgetaumelt. Es sei fast eine Art Trunkenheit gewesen – er habe ja die zwei Herren zum erstenmal gesehn und gehört und ihnen doch auch antworten müssen. Alles sei soviel er wisse recht gut ausgefallen, dann aber sei jenes Unglück geschehn, das man ihm aber nach dem Vorhergegangenen wohl kaum zur Schuld anrechnen könne. Leider hätten nur Erlanger und Bürgel seinen Zustand gekannt und sicher hätten sie sich seiner angenommen und alles weitere verhütet, aber Erlanger habe nach dem Verhör gleich weggehn müssen, offenbar um ins Schloß zu fahren und Bürgel sei, wahrscheinlich eben von jenem Verhör ermüdet – wie hätte es also K. ungeschwächt überdauern sollen? – eingeschlafen und habe sogar die ganze Aktenverteilung verschlafen. Hätte K. eine ähnliche Möglichkeit gehabt, er hätte sie mit Freude benützt und gern auf alle verbotenen Einblicke verzichtet, dies umso leichter als er ja in Wirklichkeit gar nichts zu sehen imstande gewesen sei und deshalb auch die empfindlichsten Herren sich ungescheut vor ihm hätten zeigen können.
Die Erwähnung der beiden Verhöre, gar jenes von Erlanger, und der Respekt, mit welchem K. von den Herren sprach, stimmten ihm den Wirt günstig. Er schien schon K.’s Bitte, ein Brett auf die Fässer legen und dort wenigstens bis zur Morgendämmerung schlafen zu dürfen, erfüllen zu wollen, die Wirtin war aber deutlich dagegen, an ihrem Kleid, dessen Unordnung ihr erst jetzt zu Bewußtsein gekommen war, hier und dort nutzlos rückend, schüttelte sie immer wieder den Kopf, ein offenbar alter Streit die Reinheit des Hauses betreffend war wieder daran, auszubrechen. Für K. in seiner Müdigkeit nahm das Gespräch des Ehepaars übergroße Bedeutung an. Von hier wieder weggetrieben zu werden schien ihm ein alles bisher Erlebte übersteigendes Unglück zu sein. Das durfte nicht geschehn, selbst wenn Wirt und Wirtin sich gegen ihn einigen sollten. Lauernd sah er, zusammengekrümmt auf dem Faß, die beiden an. Bis die Wirtin in ihrer ungewöhnlichen Empfindlichkeit, die K. längst aufgefallen war, plötzlich bei Seite trat und – wahrscheinlich hatte sie mit dem Wirt schon von andern Dingen gesprochen – ausrief: »Wie er mich ansieht! Schick ihn doch endlich fort!« K. aber, die Gelegenheit ergreifend und nun völlig, fast bis zur Gleichgültigkeit davon überzeugt, daß er bleiben werde, sagte: »Ich sehe nicht Dich an, nur Dein Kleid.« »Warum mein Kleid?« fragte die Wirtin erregt. K. zuckte die Achseln. »Komm«, sagte die Wirtin zum Wirt, »er ist ja betrunken, der Lümmel. Laß ihn hier seinen Rausch ausschlafen«, und sie befahl noch Pepi, die auf ihren Ruf hin aus dem Dunkel auftauchte, zerrauft, müde, einen Besen lässig in der Hand, K. irgendein Kissen hinzuwerfen.
25
Als K. aufwachte, glaubte er zuerst, kaum geschlafen zu haben, das Zimmer war unverändert, leer und warm, alle Wände in Finsternis, die eine Glühlampe über den Bierhähnen, auch vor den Fenstern Nacht. Aber als er sich streckte, das Kissen hinunterfiel und Brett und Fässer knarrten, kam gleich Pepi und nun erfuhr er, daß es schon Abend war und er weit über zwölf Stunden geschlafen hatte. Die Wirtin hatte einigemal während des Tages nach ihm gefragt, auch Gerstäcker, der am Morgen, als K. mit der Wirtin gesprochen hatte, hier im Dunkel beim Bier gewartet aber dann K. nicht mehr zu stören gewagt hatte, war inzwischen einmal hier gewesen, um nach K. zu sehn, und schließlich war
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