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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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der ohne Hilfe auch jetzt dies noch nicht erkannt hätte, einmal deutlich sieht, wie häßlich er an Pepi gehandelt und wie unglücklich er sie gemacht hat. Freilich, auch er ist dabei nur mißbraucht worden.
    Pepi hatte geendet. Sie wischte sich aufatmend paar Tränen von Augen und Wangen und sah dann K. kopfnickend an, so als wolle sie sagen, im Grunde handle es sich gar nicht um ihr Unglück, sie werde es tragen und brauche hiezu weder Hilfe noch Trost irgendjemandes und K.’s am wenigsten, sie kenne trotz ihrer Jugend das Leben und ihr Unglück sei nur eine Bestätigung ihrer Kenntnisse, aber um K. handle es sich, ihm habe sie sein Bild vorhalten wollen, noch nach dem Zusammenbrechen aller ihrer Hoffnungen habe sie das zu tun für nötig gehalten.
    »Was für eine wilde Phantasie Du hast, Pepi«, sagte K. »Es ist ja gar nicht wahr, daß Du erst jetzt alle diese Dinge entdeckt hast, das sind ja nichts anderes als Träume aus Euerem dunklen engen Mädchenzimmer unten, die dort an ihrem Platze sind, hier aber im freien Ausschank sich sonderbar ausnehmen. Mit solchen Gedanken konntest Du Dich hier nicht behaupten, das ist ja selbstverständlich. Schon Dein Kleid und Deine Frisur, deren Du Dich so rühmst, sind nur Ausgeburten jenes Dunkels und jener Betten in Euerem Zimmer; dort sind sie gewiß sehr schön, hier aber lacht jeder im Geheimen oder offen darüber. Und was erzählst Du sonst? Ich sei also mißbraucht und betrogen worden? Nein, liebe Pepi, ich bin so wenig mißbraucht und betrogen worden wie Du. Es ist richtig, Frieda hat mich gegenwärtig verlassen oder ist, wie Du es ausdrückst, mit einem Gehilfen durchgebrannt, einen Schimmer der Wahrheit siehst Du, und es ist auch wirklich sehr unwahrscheinlich, daß sie noch meine Frau werden wird, aber es ist ganz und gar unwahr, daß ich ihrer überdrüssig geworden wäre oder sie gar am nächsten Tag schon verjagt hätte oder daß sie mich betrogen hätte, wie sonst vielleicht eine Frau einen Mann betrügt. Ihr Zimmermädchen seid gewohnt, durch das Schlüsselloch zu spionieren und davon behaltet Ihr die Denkweise, von einer Kleinigkeit, die Ihr wirklich seht, ebenso großartig wie falsch auf das Ganze zu schließen. Die Folge dessen ist, daß ich z.B. in diesem Fall viel weniger weiß als Du. Ich kann beiweitem nicht so genau, wie Du, erklären, warum Frieda mich verlassen hat. Die wahrscheinlichste Erklärung scheint mir die auch von Dir gestreifte aber nicht ausgenützte, daß ich sie vernachlässigt habe. Das ist leider wahr, ich habe sie vernachlässigt, aber das hatte besondere Gründe, die nicht hierher gehören, ich wäre glücklich, wenn sie zu mir zurückkäme, aber ich würde gleich wieder anfangen sie zu vernachlässigen. Es ist so. Da sie bei mir war, bin ich immerfort auf den von Dir verlachten Wanderungen gewesen, jetzt da sie weg ist, bin ich fast beschäftigungslos, bin müde, habe Verlangen nach immer vollständigerer Beschäftigungslosigkeit. Hast Du keinen Rat für mich, Pepi?« »Doch«, sagte Pepi plötzlich lebhaft werdend und K. bei den Schultern fassend, »wir sind beide die Betrogenen, bleiben wir beisammen, komm mit hinunter zu den Mädchen.« »Solange Du über Betrogenwerden klagst«, sagte K., »kann ich mich mit Dir nicht verständigen. Du willst immerfort betrogen worden sein, weil Dir das schmeichelt und weil es Dich rührt. Die Wahrheit aber ist, daß Du für diese Stelle nicht geeignet bist. Wie klar muß diese Nichteignung sein, wenn sogar ich, der Deiner Meinung nach Unwissendste das einsehe. Du bist ein gutes Mädchen, Pepi, aber es ist nicht ganz leicht das zu erkennen, ich z.B. habe Dich zuerst für grausam und hochmütig gehalten, das bist Du aber nicht, es ist nur diese Stelle, welche Dich verwirrt, weil Du für sie nicht geeignet bist. Ich will nicht sagen, daß die Stelle für Dich zu hoch ist, es ist ja keine so außerordentliche Stelle, vielleicht ist sie, wenn man genau zusieht, etwas ehrenvoller als Deine frühere Stelle, im ganzen aber ist der Unterschied nicht groß, beide sind eher zum Verwechseln einander ähnlich, ja man könnte fast behaupten, daß Zimmermädchen-sein dem Ausschank vorzuziehen wäre, denn dort ist man immer unter Sekretären, hier dagegen muß man, wenn man auch in den Gastzimmern die Vorgesetzten der Sekretäre bedienen darf, doch auch mit ganz niedrigem Volk sich abgeben, z.B. mit mir; ich darf ja von Rechts wegen gar nicht anderswo mich aufhalten, als eben hier im Ausschank und die

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