Das Schloß
Möglichkeit mit mir zu verkehren, sollte so über alle Maßen ehrenvoll sein? Nun Dir scheint es so und vielleicht hast Du auch Gründe dafür. Aber eben deshalb bist Du ungeeignet. Es ist eine Stelle wie eine andere, für Dich aber ist sie das Himmelreich, infolgedessen faßt Du alles mit übertriebenem Eifer an, schmückst Dich wie Deiner Meinung nach die Engel geschmückt sind – sie sind aber in Wirklichkeit anders – zitterst für die Stelle, fühlst Dich immerfort verfolgt, suchst alle, die Deiner Meinung nach Dich stützen könnten, durch übergroße Freundlichkeit zu gewinnen, störst sie aber dadurch und stößt sie ab, denn sie wollen im Wirtshaus Frieden und nicht zu ihren Sorgen noch die Sorgen der Ausschankmädchen. Es ist möglich, daß nach Friedas Abgang niemand von den hohen Gästen das Ereignis eigentlich gemerkt hat, heute aber wissen sie davon und sehnen sich wirklich nach Frieda, denn Frieda hat alles doch wohl ganz anders geführt. Wie sie auch sonst sein mag und wie sie auch ihre Stelle zu schätzen wußte, im Dienst war sie vielerfahren, kühl und beherrscht, Du hebst es ja selbst hervor, ohne allerdings von der Lehre zu profitieren. Hast Du einmal ihren Blick beachtet? Das war schon gar nicht mehr der Blick eines Ausschankmädchens, das war schon fast der Blick einer Wirtin. Alles sah sie und dabei auch jeden Einzelnen und der Blick, der für den Einzelnen übrig blieb, war noch stark genug, um ihn zu unterwerfen. Was lag daran, daß sie vielleicht ein wenig mager, ein wenig ältlich war, daß man sich reicheres Haar vorstellen konnte, das sind Kleinigkeiten verglichen mit dem, was sie wirklich hatte und derjenige, welchen diese Mängel gestört hätten, hätte damit nur gezeigt, daß ihm der Sinn für Größeres fehlte. Klamm kann man dies gewiß nicht vorwerfen und es ist nur der falsche Gesichtswinkel eines jungen unerfahrenen Mädchens, der Dich an Klamms Liebe zu Frieda nicht glauben läßt. Klamm scheint Dir – und dies mit Recht – unerreichbar und deshalb glaubst Du, auch Frieda hätte an Klamm nicht herankommen können. Du irrst. Ich würde darin allein Friedas Wort vertrauen, selbst wenn ich nicht untrügliche Beweise dafür hätte. So unglaublich es Dir vorkommt und so wenig Du es mit Deinen Vorstellungen von Welt und Beamtentum und Vornehmheit und Wirkung der Frauenschönheit vereinen kannst, es ist doch wahr, so wie wir hier nebeneinander sitzen und ich Deine Hand zwischen die meinen nehme, so saßen wohl, als sei es die selbstverständlichste Sache von der Welt, auch Klamm und Frieda nebeneinander und er kam freiwillig herunter, ja eilte sogar herab, niemand lauerte ihm im Korridor auf und vernachlässigte die übrige Arbeit, Klamm mußte sich selbst bemühn, herabzukommen und die Fehler in Friedas Kleidung, vor denen Du Dich entsetzt hättest, störten ihn gar nicht. Du willst ihr nicht glauben! Und weißt nicht wie Du Dich damit bloßstellst, wie Du gerade damit Deine Unerfahrenheit zeigst. Selbst jemand der gar nicht von dem Verhältnis zu Klamm wüßte, müßte an ihrem Wesen erkennen, daß es jemand geformt hat, der mehr war als Du und ich und alles Volk im Dorf und daß ihre Unterhaltungen über die Scherze hinausgingen, wie sie zwischen Gästen und Kellnerinnen üblich sind und das Ziel Deines Lebens scheinen. Aber ich tue Dir Unrecht. Du erkennst ja selbst sehr gut Friedas Vorzüge, merkst ihre Beobachtungsgabe, ihre Entschlußkraft, ihren Einfluß auf die Menschen, nur deutest Du freilich alles falsch, glaubst daß sie alles eigensüchtig nur zu ihrem Vorteil und zum Bösen verwende oder gar als Waffe gegen Dich. Nein Pepi, selbst wenn sie solche Pfeile hätte, auf so kleine Entfernung könnte sie sie nicht abschießen. Und eigensüchtig? Eher könnte man sagen daß sie unter Aufopferung dessen was sie hatte und dessen was sie erwarten durfte, uns zwei die Gelegenheit gegeben hat, uns auf höherem Posten zu bewähren, daß wir zwei aber sie enttäuscht haben und sie geradezu zwingen wieder hierher zurückzukehren. Ich weiß nicht ob es so ist, auch ist mir meine Schuld gar nicht klar, nur wenn ich mich mit Dir vergleiche, taucht mir etwas derartiges auf; so als ob wir uns beide zu sehr, zu lärmend, zu kindisch, zu unerfahren bemüht hätten, um etwas, das z.B. mit Friedas Ruhe, mit Friedas Sachlichkeit leicht und unmerklich zu gewinnen ist, durch Weinen, durch Kratzen, durch Zerren zu bekommen, so wie ein Kind am Tischtuch zerrt, aber nichts gewinnt, sondern
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