Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Helles wahr, schmeckte etwas Bitteres, spürte sanfte Hände, die seine Wunden säuberten, und weniger sanfte, die sie verbanden, während der Schmerz in ihm bohrte.
Dann hörte er Stimmen oder glaubte zumindest, sie zu hören, denn die eine schien die von Colonel Graeme zu sein, und was der hier verloren hatte, konnte er sich nicht erklären. »Aye, ich kümmere mich darum, Ihre Majestät.«
Und der König, der ebenfalls nichts dort verloren hatte, antwortete: »Meine Mutter würde es mir niemals verzeihen, wenn er stirbt.«
»Er stirbt nicht. Er ist ein halber Graeme, und die Graemes sind zäh.« Kurzes Schweigen, dann: »Euer Arm blutet.«
»Zum Teufel mit meinem Arm! Haben Sie denn nicht das Schlachtfeld und die Wälder gesehen? Was ist mein Arm, verglichen damit und mit dem, was dieser Mann für meine Familie durchlitten hat?«
»Er würde noch mehr für Euch erleiden, Ihre Majestät«, sagte Colonel Graeme mit leiser Stimme.
»Ich will das nicht, weder von ihm noch von irgendeinem anderen. Was ist schon eine Krone? Ein Stück Metall mit Edelsteinen darin. Welches Recht habe ich, einem Mann das Leben dafür abzuverlangen?«
»Das Recht Gottes, mit dem er Euch zum König gemacht hat«, erwiderte der Colonel. »Jeder echte Schotte würde tun, was Ihr verlangt, weil Ihr unser König seid und wir Euch lieben. Man hat mir erzählt, dass sogar im englischen Lager auf Eure Gesundheit und Euren Wagemut getrunken wurde. Ihr habt den Angriff so oft angeführt, dass Euch diese Krone zusteht.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann hörte Moray, dass die beiden Männer sich seinem Lager näherten.
»Wenn er am Leben bleibt, wird er nie wieder kämpfen«, bemerkte der König.
»Dann wird er eine andere Möglichkeit finden, Euch zu dienen.«
Da verlor Moray das Bewusstsein. Als er wieder aufwachte, war der Schmerz in seiner Brust so stark, dass er die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht laut aufzuschreien.
»Ganz ruhig, Junge«, sagte Colonel Graeme, der neben ihm saß. Als Moray den Rand einer Tasse an seinen Lippen spürte, trank er. Der Brandy, der in seiner Kehle brannte, lenkte ihn von der Anstrengung des Atmens ab. Er sah sich um. Moray wusste nicht, wo er sich befand, vermutlich in einem Privathaus. Das Zimmer war spartanisch eingerichtet, hatte aber weiße Spitzenvorhänge, durch die Tageslicht auf einen Holzstuhl fiel. Moray entdeckte die rote Uniformjacke, die über der Rückenlehne hing. »Nicht meine«, presste er hervor.
»Was sagst du?« Als Colonel Graeme sah, dass er die Jacke meinte, nickte er. »Oh, aye, ich weiß, dass sie nicht dir gehört, mein Junge. Wir haben sie dem Soldaten neben dir ausgezogen und dich damit zugedeckt. Du warst eiskalt, und der arme Kerl brauchte sie nicht mehr.«
»Er war … Schotte. McClelland.«
»Seiner Uniform nach zu urteilen auf der falschen Seite. Die gehört dem Royal Irish Regiment.« Colonel Graeme hob noch einmal die Tasse mit dem Brandy an Morays Lippen. »Ihr habt euch unterhalten, was? Tja, das passiert manchmal. Obwohl’s mich wundert, dass er noch reden konnte. Hast du seine Beine gesehen?« Er las die Antwort in den Augen seines Neffen. »Worüber habt ihr geredet?«
»Über das Leben, sein Leben. Er kam aus … Kirkcudbright.«
»Oh, aye?«, fragte Colonel Graeme interessiert. »Das letzte Mal in Slains hab ich ein hübsches Mädel aus Kirkcudbright getroffen. Kennst du sie auch?«
Moray sah Colonel Graeme an.
»Ich hab ihr das Schachspielen beigebracht. Sie hat sich gar nicht dumm angestellt. Ihre einzige Schwäche war, dass sie die Soldaten genauso gut schützen wollte wie den König. Wenn ich ein solches Mädel hätte, würde mich allein der Gedanke an sie am Leben halten.«
Moray durchzuckte ein so heftiger Schmerz, dass er nichts erwidern konnte.
Als er die Augen das nächste Mal öffnete, unterhielt sich sein Onkel wieder mit dem König.
»Aye, es geht ihm viel besser, Ihre Majestät«, sagte Colonel Graeme. »Ich glaub, er hat das Schlimmste überstanden.«
»Ich reise in einer Stunde nach Saint-Germain ab, da freut es mich, meiner Mutter gute Nachrichten überbringen zu können.«
»Ihre Majestät«, meldete sich Moray mit schwacher Stimme zu Wort.
Der junge König wandte sich ihm zu. »Ja, Colonel Moray?«, fragte er und trat an sein Bett. »Brauchen Sie etwas?«
»Nur mein Schwert«, antwortete Moray.
»Das werden Sie erst einmal nicht führen können.«
»Junge, dein Bein hat’s ziemlich schlimm erwischt;
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