Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
sich lichtete, begann der Sturm in den Wald.
Moray glaubte, sich einer vierfachen Übermacht gegenüberzusehen. Die Luft hallte wider von Kanonendonner und den Schüssen der Artillerie, und überall stürzten Männer zu Boden.
Er selbst fiel mittags. Sein Bein wurde so schwer verletzt, dass er in die Knie ging und kaum noch die Pistolenkugel spürte, die in seinen Brustkorb eindrang. Wenig später lag er, unfähig, sich zu bewegen, inmitten Sterbender und Toter im Schlamm.
Um ihn herum tobte die Schlacht weiter. Er hörte Rufe, Schreie und das Geräusch splitternder Zweige und spürte die Erschütterung des Waldbodens, als die Kavallerie heranpreschte.
Wenig später herrschte Stille, die nur vom Jammern und Stöhnen der Verletzten durchbrochen wurde. Manche Männer beteten um ihr Leben, andere um den Abschied davon, in Sprachen so unterschiedlich wie ihre Uniformen – Holländer, Deutsche, Schotten, Franzosen und Engländer.
Rechts von Moray bemühte sich ein Soldat in der Uniform des Royal Irish Regiment schwitzend und mit aschfahlem Gesicht, sich auf die Seite zu rollen.
»Bleib liegen«, flüsterte Moray. »Sonst verblutest du. Es wird noch eine Weile dauern, bis jemand kommt.«
Der Mann, ungefähr in Morays Alter, wurde ruhiger. Wie seltsam, dachte Moray mit einem Blick auf seine Uniform, dass sie sich als Gegner gegenübergestanden hatten. Auch seine Brigade gehörte zu den Iren, diente aber dem französischen König und King James und nicht Queen Anne.
Der Fremde ließ seufzend den Kopf sinken. »Hat sowieso keinen Sinn, weil ich in den Beinen nichts spüre. Sind sie überhaupt noch dran?«
Moray sah hinüber auf den blutgetränkten Boden unter den Stiefeln des Mannes. »Aye.«
Der Soldat schloss kurz die Augen. »Du bist Schotte wie ich. Warum kämpfst du für Frankreich?«
Obwohl Moray nicht zum Reden zumute war, antwortete er, um bei Bewusstsein zu bleiben. »Ich kämpfe für James.«
»Für James?«
»Aye.«
»Ich hab noch nie einen Jakobiten kennengelernt. Ich dachte, ihr hättet alle Hörner.« Als er lächelte, musste er husten. »Und aus welchem Teil Schottlands kommst du?«
»Aus Perthshire.«
»Jetzt lebe ich in Ulster, aber eigentlich bin ich aus der Nähe von Kirkcudbright in den Western Shires.«
»Meine Frau ist aus den Western Shires.« Dies war der erste Mensch, dem er von seiner Heirat erzählte. Viel Schaden konnte er damit nicht anrichten, denn der Mann hatte nicht mehr lange zu leben, das stand fest.
»Ist sie Presbyterianerin?«, fragte der Soldat überrascht.
Moray wusste nicht, wie Sophia selbst diese Frage beantwortet hätte, da sie behauptete, nicht an Gott zu glauben. Doch sie betete zu ihm, wenn sie sich unbeobachtet fühlte. Also sagte er: »Sie ist meine Frau.«
»Ich hab keine Frau. Mein Bruder, Gott hab ihn selig, schon. Seine Witwe und sein Sohn leben immer noch in Kirkcudbright. Er war mein letzter Blutsverwandter. Wenn ich hier draufgehe, gibt es keinen, der mir nachtrauert.«
»Deinen Neffen.«
»Den kenne ich genauso wenig wie seine Frau«, erwiderte er mit einem traurigen Lächeln.
So lagen die beiden den ganzen Nachmittag und Abend nebeneinander und kämpften gemeinsam gegen den Tod an, indem sie einander von ihrer Kindheit und ihrem Soldatenleben erzählten, doch am Ende konnte Moray dem Mann nicht helfen.
Allmählich begann die Kälte Moray in die Glieder zu kriechen, und jedes Mal, wenn er glaubte, sich nicht mehr bei Bewusstsein halten zu können, holte er tief Luft, um den Schmerz in seiner Brust zu spüren. Einmal schloss er die Augen und versetzte sich zurück nach Slains, in jene Nacht, in der er neben Sophia im Bett gelegen hatte. Es fühlte sich so real an, dass er glaubte, ihren Atem zu spüren, doch da hörte er Schritte, die sich durchs Unterholz näherten. Er atmete so flach wie möglich, um nicht in die Hände plündernder und mordender Soldaten zu gelangen. Die Schritte entfernten sich … und kehrten zurück.
Dann kniete jemand neben ihm nieder und fühlte seinen Puls.
»Er ist noch am Leben!«, rief eine Stimme, die Moray kannte. Er öffnete vorsichtig die Augen und sah das Gesicht des Mannes im Licht der Fackel, die er in der Hand hielt.
Der junge König wirkte fahl und müde, und sein Arm war bandagiert. Er beugte sich tiefer über Moray.
»Colonel Moray, können Sie mich hören?«
Ein Traum, dachte Moray. »Aye, Ihre Majestät«, sagte er und schlief mit einem Lächeln ein.
Er merkte, dass er getragen wurde, nahm etwas
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