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Das Schweigen meiner Mutter

Das Schweigen meiner Mutter

Titel: Das Schweigen meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lizzie Doron
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ein Glas Tee mit zwei Stück Zucker.«
    »Ich bringe ihn dir gleich.« Chajale war schneller als ich.
    Ich blieb allein mit Golda zurück.
    Ich geriet unter Druck.
    »Nun, wie geht es dir?«, fragte ich sie, bemüht, die Situation zu meistern.
    »Du siehst ja, er will mich nicht.« Golda lachte und hob die Augen zum Himmel. »Dass ich mal die Achtzig erreiche, wer hätte das geglaubt? Ich habe schon keinen Grund mehr zu klagen, im Gegenteil, ich habe Glück, dass ich Brachale habe.« Sie seufzte tief. »Ach,
nebbech
, sie wird ohne Familie bleiben.« Ihre Stimme brach.
    Als wir uns an einen der Gartentische setzten, gesellte sich auch Bracha zu uns. Sie setzte sich neben mich und legte sofort los. »Hör zu, du hattest mindestens einen Bruder. Ich habe ein paar Dokumente in Yad Vashem gefunden, aber zur Sicherheit habe ich mich außerdem an das Archiv in Hessen gewandt, in Bad Arolsen, und auch an ein paar Stellen in Warschau, obwohl wir wissen, dass sie in Krakau war und nicht in Warschau, aber trotzdem. Was ich suche, ist ihr Name aus erster Ehe, ich habe ihn noch nicht herausbekommen, deshalb kann ich dir noch nichts Endgültiges sagen.«
    Ich starrte sie an, erschlagen von ihrem Wortschwall.
    »Was ist los? Ist noch jemand gestorben?«, fragte Chajale. Sie war mit einem Glas Tee für Golda zurückgekommen und bemerkte sofort, dass inzwischen etwas geschehen sein musste.
    »Ich suche ihren Bruder«, sagte Bracha begeistert.
    »Was für einen Bruder? Wieso Bruder?«, schimpfte Golda. »Was redest du da? Was kann sie mit einem Siebzigjährigen anfangen, der sich bestimmt nicht mehr an seine Mutter erinnert und gar nicht weiß, dass er eine Schwester hat. Hör doch auf damit.«
    Dorit erschien nun ebenfalls. »Was ist passiert?«, fragte sie mich.
    Ich war verlegen. Ich wollte, dass die Geschichte mit meinem Bruder von der Tagesordnung genommen würde. Ich spürte, dass dies weder der richtige Ort noch die richtige Zeit dafür war.
    Doch Chajale gab bereitwillig Auskunft. »Bracha meint, dass sie vielleicht einen Bruder hatte, und sucht ihn für sie«, sagte sie.
    »Also wirklich!« Goldas Augen funkelten vor Zorn.
    »Wenn du einen Bruder gehabt hättest, hätte deine Mutter ihn bestimmt gefunden«, sagte Dorit zu mir, offenkundig unbeeindruckt von Brachas Initiative.
    »Ja, wenn deine Mutter ihn nicht gefunden hat, dann hattest du auch keinen Bruder«, pflichtete Chajale Dorit bei. »Schließlich haben wir deine Mutter gekannt.« Mit diesen Worten glaubte sie wohl, mich trösten und zugleich Bracha zum Schweigen bringen zu können.
    »Wenn ihre Mutter heute noch am Leben wäre, würde sie ihn finden«, widersprach Bracha und erinnerte uns daran, was sich inzwischen alles getan hatte, vom Zusammenbruch derSowjetunion bis zum Internet, und sie zählte die Namen aller Archive auf, die erst in den letzten zehn Jahren ihre Pforten für das Publikum geöffnet hatten.
    »Und jetzt die Fleischklopse«, sagte Golda. Ich war erleichtert, dass auch Golda sich ihrer Tochter widersetzte. Sie erinnerte alle daran, warum sie hier waren. »Doritke muss bei der Beerdigung schließlich auf eigenen Füßen stehen können.«
    »Trotzdem, ich denke, sie muss nach ihrem Bruder suchen, ich glaube, sie muss es wissen«, beharrte Bracha.
    »Man kann nicht sein ganzes Leben in der Vergangenheit wühlen«, brachte Golda sie zum Schweigen. »Wer weiß schon alles von seiner Familie, von den Eltern, den Geschwistern? Auch ohne die Shoah wissen Kinder nie alles über ihre Eltern. Und selbst wenn sie alles wüssten   – was vorbei ist, ist vorbei. Warum nach hinten schauen? Schließlich kann kein Mensch noch einmal ein kleines Kind sein, mit Vater und Mutter, und nie kann man alles erzählen, was einmal war.« Sie warf ihrer Tochter einen kriegerischen Blick zu, dann schaute sie mich an. »Das ist lange her und ist nicht richtig«, zitierte Golda nun den Spruch meiner Mutter, mit dem sie Gerüchte, anzügliche Bemerkungen und Tratsch vom Tisch zu wischen pflegte.
    Mit gutem Timing tauchte Aksam auf und brachte einen Teller mit Fleischklopsen und Püree. Golda kehrte sofort zum Thema Essen zurück. Sie begutachtete den Teller, den er vor Dorit auf den Tisch stellte, und schaute zu, wie sie aß. »Nun, wie sind die Fleischklopse?«, fragte sie.
    Dann wandte sie sich an Chajales Mann. »Adi, es gibt auch
rogelach
, ich weiß, dass Dorit
rogelach
liebt.« Sogar um den Nachtisch kümmerte sie sich. »
Rogelach
rutschen am bestenmit Tee durch die

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