Das Schwein - Ein obzoener Thriller
über alles hinausgeht, was durch primitive menschliche Äußerungen vermittelbar wäre. Ihr Plädoyer lautet: »Ich liebe dich.«
Der Autor fällt in der Asche auf die Knie.
»Genug gesehen, Seher?«
»Ich habe den Glauben an mich selbst verloren«, krächzt der Autor. »All meinen Mut, meine Werte, meine Einsichten, all meine Wahrheiten. Vergib mir.«
»Ich bin nicht dein Beichtvater«, wiederholt der Beichtvater. »Du kannst dir nur selbst vergeben.«
Die Finger des Autors schlängeln sich durch die Asche. Sie ist noch warm. Er senkt sein Gesicht und küsst die fahlen Bruchstücke, während er an seine Liebe denkt und wie sie seine Welt zum Strahlen gebracht hat.
»Du kannst für immer hierbleiben, wenn du das möchtest. Aber wirst du dann jemals die Wahrheit erkennen?«
Die Augen des Autors weiten sich. Das war eine gute Frage. Der Verlust hat sein Gesicht in eine feuchte, von Asche bedeckte Maske verwandelt, und ganz oben auf dem Sockel lehnt sich der Beichtvater langsam zurück und fängt an zu lachen. Es platzt wie ein Schwarm schwarzer Vögel aus ihm heraus.
Das also war das Wesen der Selbsterkenntnis? Ausgelacht zu werden? Er hatte mit unanfechtbarer Weisheit gerechnet, nicht mit Spott und Demütigung. War von Segnungen ausgegangen.
Und er hatte Antworten auf seine ultimative Frage erwartet und wurde nun innerlich zerquetscht, weil er auch nur mit dem Gedanken gespielt hatte, er dürfe es wagen, danach zu fragen.
»Es ist deine eigene Überheblichkeit, die dich zerquetscht«, bemerkt der Beichtvater.
»Ich weiß«, sagt der Autor.
»Es ist deine Arroganz und all das, was du als selbstverständlich voraussetzt. Du lässt zu, dass dich dein Egoismus und dein Selbstmitleid blind machen.«
»DENKST DU NICHT, DASS ICH DAS VERFICKT NOCH MAL SELBST WEISS, DU HURENSOHN MIT DEINER BEWEGUNGSLOSEN FRATZE AUS VULKANGLAS!«, stürzt es schreiend aus dem Autor hervor, während ihm der Speichel von den Lippen sabbert. »DENKST DU NICHT, DAS WEISS ICH?«
Aber die Stimme des Beichtvaters nimmt einen gnädigen Tonfall an und sinkt zu den sanftesten Suboktaven herab. »Du hast Verlust aus Gewinn erschaffen – ein Golem, den du mit deinen eigenen Händen aus Lehm geformt hast. Ein Schöpfer, der sich durch sein eigenes Werk zerstören lässt.«
Was ist Wahrheit?, denkt der Autor erneut angewidert. Was ist wirklich Wahrheit? Die Gedanken breiten sich wie ein Teppich aus Blut über seiner Seele aus. War sie wirklich gleichbedeutend mit Egoismus und Selbstmitleid? Er hätte alles für sie getan. Alles. Er hätte sich für sie sogar von Körperteilen getrennt.
Die Stille des Tals senkt sich herab … wie der Tod. Es ist ein widerlicher Gegensatz zu der tiefen Erkenntnis, die er gerade gewonnen hat: der Wahrhaftigkeit seiner Liebe und der Weitsicht, die sie ihm geschenkt hat, Weitsicht im weitesten und doch unergründlichsten Sinne des Wortes. Der Widerspruch weckt in ihm das Bedürfnis, sich direkt hier auf die schwarzen Marmorfüße des Beichtvaters übergeben zu wollen. Ja, Widerspruch. Die ganze Liebe der Welt gegen all das, was ihr täglich verloren geht. Vor seinen Augen erscheinen Visionen von wunderschönen Blumen, die in Gruben voller Exkremente geschleudert werden. Er sieht von Maden ausgehöhlte Körper mit ausufernder Fäulnis, die an makellose Strände mit weißem Sand angespült werden. Erkennt die in Abwasserkanälen leblos dahintreibenden braunen Kadaver verhungerter, toter und geschändeter Kinder und denkt an die SS in Bergen-Belsen, die Babys mit Bajonetten auffängt.
»Ist das alles, was es gibt?«, schluchzt der Autor.
»Was glaubst du?«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll, gottverdammt!«
»Dann musst du hinter die Fassade blicken. Wenn du scharfsinnig genug bist, wenn du klug bist, dann wirst du vielleicht etwas sehen. Sag mir, was du siehst.«
»Ich …« Der Autor schließt seine Augen und scheitert erneut.
»Siehst du Engel oder Teufel?«
»Engel«, stöhnt der Autor.
»Ja, und sie haben dich einst angelächelt. Versuch mal etwas Neues.«
»Und was?«
»Erwidere ihr Lächeln.«
Ihr Name explodiert aus dem Hals des Autors. Das Tal erbebt bei der Nennung ihres Namens und seiner wahren Bedeutung. Der Schrei scheint ihm seine Lunge beinahe aus der Brust zu reißen.
Nach einer kurzen Stille fragt der Beichtvater: »Was hast du gerade getan?«
»Ich weiß nicht, was ihr meint«, sagt der Autor erschöpft, während er noch immer in der Asche kniet.
»Natürlich weißt du es
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