Das Schwert der Vorsehung
... Etwas, das ich nicht erwartet habe! Zu Hause!«
»Sei nicht böse, Yurga ... Wenn du sie siehst, wirst du sie gern haben. Ein kluges Mädchen, lieb, arbeitsam ... Ein bisschen seltsam. Sie will nicht sagen, wo sie herkommt, stattdessen weint sie. Also frag ich nicht. Yurga, du weißt, wie gern ich immer eine Tochter wollte ... Was ist dir?«
»Nichts«, sagte er leise. »Nichts. Die Vorsehung. Den ganzen Weg über hat er im Schlaf geredet, im Fieber gesprochen, immer nur Vorsehung und Vorherbestimmung ... Bei den Göttern ... Das geht über unseren Verstand, Zelinda. Wir werden nie begreifen, was solche wie er denken. Wovon sie träumen. Das geht über unseren Verstand ...«
»Papa!!!«
»Nadbor! Sulik! Ihr seid aber gewachsen, wie die Kälber! Also los, zu mir! Schnell ...«
Er verstummte, als er das kleine, schmächtige, aschblonde Wesen sah, das langsam hinter den Jungen herkam. Das Mädchen schaute ihn an, er sah große Augen, grün wie Gras im Frühling, die wie zwei Sternchen funkelten. Er sah, wie das Mädchen plötzlich losstürzte, sah es rennen, sah ... Er hörte es schreien, dünn, durchdringend.
»Geralt!«
Der Hexer wandte sich vom Pferd ab, mit einer blitzschnellen, gewandten Bewegung. Und lief ihr entgegen. Yurga schaute gebannt zu. Er hätte nie gedacht, dass ein Mensch sich so schnell bewegen könnte.
Sie trafen sich mitten auf dem Hof. Das aschblonde Mädchen in dem grauen Kleidchen. Und der weißhaarige Hexer mit dem Schwert auf dem Rücken, ganz in schwarzem Leder, auf dem Silber funkelte. Der Hexer im weichen Sprung, das Mädchen im Trab, der Hexer auf den Knien, die dünnen Arme des Mädchens um seinen Hals, die aschblonden, mausfarbenen Haare auf seinen Schultern. Zelinda schrie tonlos auf. Yurga umarmte sie, drückte sie wortlos an sich, zog mit der anderen Hand die beiden Jungen heran.
»Geralt!«, wiederholte das Mädchen, an die Brust des Hexers geschmiegt. »Du hast mich gefunden! Ich hab’s gewusst! Hab’s immer gewusst! Ich hab gewusst, dass du mich findest!«
»Ciri«, sagte der Hexer.
Yurga sah sein Gesicht nicht, das in den aschblonden Haaren versteckt war. Er sah, wie die Hände in den schwarzen Handschuhen Schultern und Rücken des Mädchens drückten.
»Du hast mich gefunden! Oh, Geralt! Die ganze Zeit hab ich gewartet! So grauslich lange ... Jetzt bleiben wir zusammen, ja? Wir bleiben zusammen, nicht wahr? Sag, Geralt! Für immer! Sag!«
»Für immer, Ciri.«
»So, wie sie gesagt haben! Geralt! So, wie sie gesagt haben ... Ich bin deine Vorherbestimmung? Sag! Bin ich deine Vorherbestimmung?«
Yurga sah die Augen des Hexers. Und wunderte sich sehr. Er hörte Zelinda leise weinen, fühlte, wie ihre Schultern bebten. Er betrachtete den Hexer und wartete gespannt auf dessen Antwort. Er wusste, dass er diese Antwort nicht verstehen würde, doch er wollte sie hören. Und er hörte sie.
»Du bist etwas mehr, Ciri. Etwas mehr.«
Informationen zum Buch
»Was soll man von dir halten - ein Hexer, der jeden zweiten Tag ein einträgliches Angebot ausschlägt? Die Hirikka tötest du nicht, weil die am Aussterben sind, den Streitling nicht, weil er unschädlich ist, die Nächtin nicht, weil sie nett ist, den Drachen nicht, weil-s der Kodex verbietet -« Der Hexer Geralt von Riva verdient seinen Lebensunterhalt recht und schlecht mit dem Beseitigen von allerlei Ungeheuern. Nicht selten begegnen ihm die Leute, die ihn anheuern, mit tiefem Argwohn. Doch damit kann er leben. Obwohl es sein Ehrenkodex eigentlich verbietet, schließt er sich einer Gruppe von Drachenjägern an - denn die Zauberin Yennefer, seine verlorengeglaubte Geliebte, ist unter ihnen. Aber die Interessen der Jäger sind zu unterschiedlich: Es beginnt ein Kampf jeder gegen jeden. Und ganz allmählich wird eine Bedrohung der festgefügten Ordnung spürbar...
Informationen zum Autor
Andrzej Sapkowski, geboren 1948, ist Wirtschaftswissenschaftler, Literaturkritiker und Schriftsteller. Er lebt in Lódz´ . Sein Fantasy-Zyklus über den Hexer Geralt erreicht in Polen inzwischen Millionen-Auflagen und wurde 1998 mit dem Literaturpreis der wichtigsten polnischen Wochenzeitung -Polityka- ausgezeichnet. Höchst erfolgreich ist auch seine Trilogie um den schlesischen Medicus Reinmar von Bielau: -Narrenturm-, -Gottesstreiter- und -Lux perpetua-.
Impressum
Deutscher Taschenbuch Verlag
Ungekürzte Ausgabe
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
© 2008 der deutschsprachigen
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