Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
stürzte er aus seinem Zelt.
Draußen vor dem etwas abseits gelegenen, weil nachträglich errichteten Zelt sah Richard einige Männer mit angstvoll aufgerissenen Augen im Dunkeln stehen. Einige Zelte weiter in der Reihe beobachtete General Meiffert mit den Übrigen das nächtliche Dunkel.
Richard sah, dass es der trügerische Augenblick kurz vor Anbruch der Dämmerung war, genau wie an dem Morgen, als Kahlan verschwunden war – die Frau, die er liebte und die alle so gründlich vergessen zu haben schienen, dass sich niemand an sie erinnern mochte. Wenn sie es war, die geschrien hatte, dann hatte niemand ihren Schrei gehört.
Endlich verstummte der Schrei, und eine Dunkelheit senkte sich über die Welt, die schwärzer war als die Nacht selbst. Es war, als tauche man, verloren und für immer vergessen, in die tintenschwarze Leere des Totenreiches ein. Ein Schauder überlief Richard, und plötzlich fühlte sich seine Haut an, als hätte etwas, das nicht von dieser Welt war, die Welt des Lebens mit purer Verheißung gestreift.
Ebenso schnell, wie die Dunkelheit aufgekommen war, war sie auch wieder abgezogen. Die Soldaten warfen einander fragende Blicke zu. Niemand sprach.
Sofort schoss Richard der Gedanke durch den Kopf, dass die Viper jetzt nur noch drei Köpfe hatte. »Der Hüter hat eine der seinen zu sich gerufen«, erklärte er den fragenden Gesichtern, die sich ihm zugewandt hatten. Er sah den General horchend in das Dunkel starren. »Ihr solltet froh sein, dass ein so bösartiger Mensch jetzt nicht mehr unter den Lebenden weilt. Mögen all diese Menschen den Tod finden, den sie so verherrlichen.«
Sein Fluch bewirkte, dass die Soldaten unter zustimmendem Getuschel mit einem befreiten Lächeln auf den Lippen in ihre Zelte zurückkrochen, um sich für die noch verbliebenen Stunden der Nacht noch etwas hinzulegen. General Meiffert blickte ihm kurz in die Augen und schlug sich mit der Faust aufs Herz, ehe auch er wieder in seinem Zelt verschwand.
Im trüben Licht des frühmorgendlichen Feldlagers, das auf einmal nur von Zelten und Wagen bevölkert schien, sah er Nicci überaus zielstrebig auf ihn zuhalten. Ihr ganzes Äußeres hatte etwas zutiefst Verstörendes, was daran liegen mochte, dass sie soeben ihrem Zorn Luft gemacht hatte, einem Zorn, den außer ihm vermutlich niemand verstand oder zu würdigen vermochte.
Mit ihren wild um den Kopf flatternden blonden Haarsträhnen erinnerte sie ihn an ein Raubtier, ein Raubtier, das im Begriff war, sich, ganz angespannte Muskeln und Klauen, aus dem nächtlichen Dunkel auf ihn zu stürzen. Doch dann bemerkte er ihr tränenüberströmtes Gesicht, ihren verbissen angespannten Kiefer, ihren Schmerz und ihre Verletztheit, diese Mischung aus ungeheurer Bedrohlichkeit und zerbrechlicher Hilflosigkeit, in den Augen ein Ausdruck, der sein Verständnis überforderte, und bat sie mit einem Schritt zurück in sein Zelt zu sich herein, wo sie vor den Blicken des übrigen Lagers sicher war.
Sie kam, einem über eine Landspitze hereinbrechenden Unwetter gleich, in sein Zelt gerauscht und hielt direkt auf ihn zu. Nicht ahnend, was nicht stimmte oder was sie vorhatte, wich er, so weit es ging, zurück.
Doch dann warf sie sich mit einem Schluchzer von solch nackter Verzweiflung vor seinen Füßen auf den Boden, dass er um ein Haar eingestimmt hätte, und schlang ihm, in der Hand ein Stück Stoff, die Arme um die Beine. Richard sah sofort, dass es Kahlans weißes Konfessorinnenkleid war.
»Oh, Richard, es tut mir so Leid«, weinte sie, immer wieder geschüttelt von heftigem Schluchzen. »Es tut mir so unendlich Leid, was ich dir angetan habe. So Leid, so unendlich Leid«, murmelte sie in einem fort.
Sachte berührte er sie an der Schulter. »Nicci, was ist denn nur passiert?«
»Es tut mir so Leid«, wimmerte sie und klammerte sich an seine Beine wie eine Verdammte, die ihren König um Gnade anfleht. »Bei den Gütigen Seelen, es tut mir so schrecklich Leid, was ich dir angetan habe.«
Er ließ sich auf die Knie herunter und befreite seine Beine behutsam aus ihrer Umklammerung. »Was ist denn nur los, Nicci?«
Ihre Schultern hoben und senkten sich, immer wieder geschüttelt von heftigem Schluchzen. Dann endlich, als er sie an den Armen hochzog, sah sie zu ihm auf. Sie hing in seinen Armen, schlaff wie eine Tote.
»Oh, Richard, es tut mir so Leid. Ich habe dir keinen Moment geglaubt, ich bin untröstlich, dass ich dir nie Glauben geschenkt habe. Ich hätte dir helfen sollen,
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