Das Schwert des Königs - Dark City ; 3

jubilierend am Horizont.
    Der Abend kam. Der blaue Himmel verfärbte sich in ein kräftiges Orange, und die Menschen beobachteten voller Staunen ihren ersten Sonnenuntergang. Der wohl größte Tag in der Geschichte Shaírias ging zu Ende, und als die Sonne blutrot hinter den Bergspitzen versank, wusste jeder, dass dies der Beginn einer neuen Geschichte war.

    Und so erfüllte sich, was seit tausend und abertausend Jahren vorherbestimmt war. Die Mauer war gefallen. Die Zeit der ewigen Dämmerung war vorbei. Arlo war zurückgekehrt, um das Paradies auf der Insel und in den Herzen der Menschen wiederherzustellen. Und so geheimnisvoll, wie er vor siebenundsechzig Jahren aufgetaucht war, verschwand er an diesem Tag auch wieder und wurde nie mehr wiedergesehen. Doch die Legende sagt, sein Geist wäre zurückgeblieben und würde im Buch der Prophetie und in den Propheten und ihren Gaben weiterleben.
    Von jenem Tag an, als Arlo auf mysteriöse Weise das Licht zurückbrachte, wurde alles anders. Shaíria erstrahlte in neuer Pracht. Der Boden wurde fruchtbarer als je zuvor. Blumen, Bäume und allerlei Pflanzen sprossen überall aus der nackten Erde hervor. Das bittere Wasser der Flüsse und Seen wurde wieder trinkbar. Der Tote Fluss wurde umbenannt in «Fluss des Lebens». Sein Wasser war kristallklar. An seinen Ufern wuchsen Bäume, die zwölfmal im Jahr Früchte trugen, und mit den Blättern der Bäume wurden die Menschen von allerlei Krankheiten geheilt.
    Die wenigen Tiere, die die Jahre der Finsternis überlebt hatten, vermehrten sich rasch und breiteten sich auf der Insel aus. Sie wurden wieder zahm und friedlich, wie sie es vor der Zeit der Dunkelheit gewesen waren. Sogar längst ausgestorben geglaubte Tiere tauchten wieder auf, und ihre Vielfalt schien noch größer zu sein als vorher.
    Auch für die Menschen begann ein völlig neues und unbeschwertes Leben, in dem es keine Unterdrückung und Armut mehr gab. Viele von ihnen zogen aus dem Gebiet innerhalb der ehemaligen Mauer hinaus, siedelten sich überall auf der Insel an und bauten die zerstörten Dörfer und Städte wieder auf. Viele blieben auch in der Stadt Dark City, die in Pearl City, Perlenstadt, umgetauft und zu einer Stadt voller Farben und Licht wurde. Die Burg auf dem hohen Tufffelsen wurde eingerissen. An ihrer Stelle ließ Lior einen Tempel errichten, der größer und herrlicher war als alle Tempel, die jemals auf Shaíria gebaut worden waren. Er wurde zu einer Stätte der Ruhe und Besinnung, zu der täglich tausende von Menschen pilgerten.
    Auf dem großen, mit Mosaik verzierten Marmor-Platz vor dem Tempel stellte Lior eine gläserne Tafel auf zum Gedenken an all die Propheten, die als Hexen hingerichtet worden waren. Er schwor beim Buch der Prophetie, dass es eine Verfolgung wie diese nie mehr geben würde, und zum Zeichen des neuen Bundes, den er mit den Propheten schloss, schenkte er jedem von ihnen einen goldenen Siegelring.
    Nicht jeder freute sich über die neue Gesinnung des Königs und die wiedererlangte Ehre der Propheten. Vor allem diejenigen, die während der Jahre der Dunkelheit zu Reichtum und Macht gelangt waren, stellten mit Bestürzung fest, dass ihr Imperium, das sie sich mit Veolicht aufgebaut hatten, durch die Rückkehr des Sonnenlichts in einem einzigen Augenblick zerstört wurde. Die Bevölkerung war nicht mehr von ihnen abhängig und konnte daher auch nicht mehr von ihnen ausgebeutet werden. Sämtliche Stadtbarone und ihre Familien packten all ihre Reichtümer zusammen und zogen aus Pearl City fort. Auch Mangol konnte sich mit der neuen Regierung nicht mehr anfreunden und verließ zusammen mit den Eolithen und einigen anderen Abtrünnigen die Stadt.
    Lior hinderte sie nicht daran. Stattdessen ließ er Joash, Miro, Sihana und Aliyah zu Rittern schlagen und ernannte sie zusammen mit Mutter, der weisen alten Prophetin, zu seinen neuen Ratgebern. Und Katara wurde in einer feierlichen Zeremonie vor dem Tempel zur Königin Shaírias gekrönt und regierte fortan an Liors Seite über das Land.
    Die Legende sagt, Lior und Katara hätten Shaíria in eine Zeit des Friedens und der Sicherheit geführt, und ihre ruhmvollen Taten gingen in die Chronik der großen Könige ein.
    Und während sich die Weisen und Gelehrten dieser Welt weiter darüber streiten, ob es diese paradiesische Insel mit ihren sagenumwobenen Geschöpfen und Legenden überhaupt gibt oder ob sie nichts weiter als ein Mythos sei, bahnt sich in den Tiefen der Vulkanstadt Zordak