Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Raumfahrt als technisches Abenteuer und Gelegenheit für reichlich Heldentum darstellte, aber mit einigen originellen Einfällen und einprägsamen Bildern; stilistisch stach vor allem die realistische Charakterzeichnung hervor, an der sogleich bekrittelt wurde, dass die Helden keine geeigneten Vorbilder für die Jugend abgäben. Mit den späteren Werken der Strugatzkis kann sich dieser Roman nicht messen, und schon ein Jahr später lässt die Fortsetzung, die lange Erzählung »Der Weg zur Amalthea« (1960), einen bemerkenswerten Zuwachs an erzählerischer Souveränität erkennen.
Die Strugatzkis haben um 1960 noch relativ viele Erzählungen geschrieben, Mitte der Sechzigerjahre aber für lange Zeit ganz damit aufgehört – erklärtermaßen, weil die Themen, die sie interessierten, mehr Umfang erforderten. Die für sie typische Form war die Powest, eine Art sehr lange Erzählung oder kurzer Roman, aber nicht wie traditionelle Romane mit weit verzweigter Handlung, zahlreichen Themen und Sujetlinien, sondern zumeist auf einen Handlungsstrang und ein Thema konzentriert. Diese Themen nun, für die kürzere Formen nicht mehr taugten, haben letzten Endes stärker als die SF-Ideen und die stilistische Meisterschaft dazu beigetragen, aus zwei talentierten Nachwuchsautoren die Strugatzkis zu machen.
Ich spreche von den literarischen Themen, die sowohl von den SF-Motiven als auch von den Sujets und dem Handlungshintergrund zu unterscheiden sind. Die SF-Motive sind Variationen – oft sehr originelle, bildmächtige Variationen – des traditionellen Repertoires: außerirdische, oft ganz menschenähnliche, mitunter aber auch sehr fremdartige Zivilisationen; künstliche Veränderungen der biologischen Natur des Menschen; Roboter kommen meist nur in Nebenrollen vor, Zeitreisen sehr selten. Recht oft findet man das Motiv (um mit einem Titel von Heinlein zu sprechen) »Ein Mann in einer fremden Welt«; in der Regel ist das ein einzelner (oder einzeln agierender) Erdenmensch als Beobachter, Agent oder Gestrandeter auf einem fremden Planeten, selten ein Außerirdischer auf der Erde.
Sehr häufig indes entwerfen die Strugatzkis Gesellschaftsmodelle. Ein zusammenhängender Weltentwurf steht im Hintergrund von rund der Hälfte ihrer Werke, als kommunistisch deklariert und anfangs auch ganz so gemeint, eine Welt, in der die Strugatzkis gern hätten leben mögen – und schon darum recht verschieden von anderen, abstrakteren, um nicht zu sagen: papieren trockenen oder propagandistisch auftrumpfenden Entwürfen der Sowjetzeit. (In den Werken der wenigen anderen sowjetischen Autoren, in denen die kommunistische Utopie lebendig wirkt, etwa bei Schefner und Snegow, nimmt sie leicht märchenhafte Züge an.) Als Thema im Zentrum steht die Utopie aber nur in dem Episodenroman »Mittag, 22. Jahrhundert« (1962, 67), nach dem jener Weltentwurf denn auch als die Welt des Mittags bezeichnet wird; ich habe im SF-JAHR 2011 ausführlicher darüber geschrieben.
Was nun aber die Themen angeht, so ist es lehrreich, ihre Entwicklung in den frühen Sechzigerjahren zu beobachten, eben in der Zeit, da die Strugatzkis zu den besten, wichtigsten und beliebtesten sowjetischen SF-Autoren wurden. Besonders interessant ist das, weil man dank Boris Strugatzkis veröffentlichten Kommentaren nunmehr nicht nur die Entwicklung von Buch zu Buch verfolgen kann, sondern auch den Werdegang einzelner Manuskripte. Man bemerkt nämlich eine merkwürdige Regel: Am Anfang stehen ein SF-Einfall und eine Sujetidee, die sich für eine reine Abenteuerhandlung eignen. Viele halbwegs kenntnisreiche SF-Leser haben solche Einfälle und können sie nur nicht umsetzen; viele professionelle SF-Autoren setzen sie um. Aber genau das taten die Strugatzkis nicht. »Atomvulkan Golkonda« war ursprünglich eine Art Tarzan-Geschichte auf der Venus, »Der Weg zur Amalthea« eine Erzählung über Weltraumpiraten; auf der Venus war ein »militärisch-administrativer Diktator der Sowjetischen Venus-Territorien« vorgesehen. In »Fluchtversuch« (1962) sollten Erdenmenschen und ebenso friedfertige Sirianer auf einem anderen Planeten in einen Krieg verwickelt werden, den rückständige Einheimische mit Superwaffen führen, die sie von wieder einer anderen Zivilisation geerbt haben. »Es ist schwer, ein Gott zu sein« (1964) sollte als eine Art fröhliche »Drei Musketiere« auf einem mittelalterlichen Planeten beginnen, und folgen sollten die Entdeckung einer zweiten intelligenten Spezies auf
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