Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
einem anderen Kontinent und dann – ja doch, ein Krieg, in den die Erdenmenschen eingreifen müssen. Auch »Die Schnecke am Hang« (1966/68) sollte von einem kybernetisch-biologischen Krieg zwischen zwei außerirdischen Zivilisationen handeln, mit dem sich die Erdenmenschen konfrontiert sehen. Es hat den Anschein, als seien die kriegerischen Sujets hauptsächlich von Arkadi ins Spiel gebracht worden (möglicherweise ist das aber auch nur der Tatsache geschuldet, dass die Briefe Arkadis aus jener Zeit erhalten geblieben sind, die von Boris aber verschollen). Außerdem fällt der große Aufwand an fantastischen Prämissen auf, etwa wenn immer gleich mehrere intelligente Spezies involviert sind. Alte amerikanische Space-Operas gehen so (und manche neue auch).
Aber: In »Die Schnecke am Hang« ist das Motiv des Krieges so weit in den Hintergrund getreten, dass es kaum noch wahrzunehmen ist; in allen anderen erwähnten frühen Werken ist von kriegerischen Auseinandersetzungen nicht die geringste Spur zu finden. (In zwei späteren Romanen, »Die bewohnte Insel« und »Der Junge aus der Hölle«, spielt Krieg eine Rolle, wird aber nur in wenigen, kurzen Episoden dargestellt.) Manches von ihren Werken hätten die Strugatzkis in sowjetischen Verlagen sowieso nicht gedruckt bekommen, wenn sie denn der allerersten Idee gefolgt wären. Wesentlicher ist aber, dass sich im Laufe der Arbeit zumeist ein Thema herausschälte, das den Autoren bedeutsamer vorkam und dem sie dann konsequent folgten, was oft eine völlig andere Handlung erforderte. In »Fluchtversuch« hat die SF-Idee von rückständigen Eingeborenen, die mit der von einer Superzivilisation zurückgelassenen, ihnen ganz unverständlichen Technik spielen, noch sujetbildende Funktion, das Thema aber ist die Konfrontation der Utopier von der Erde mit den unmenschlichen Zuständen auf dem Planeten und ihre doppelte Unfähigkeit – nämlich die Vorgänge überhaupt richtig zu deuten und dann etwas Wirksames dagegen zu unternehmen, statt alles noch schlimmer zu machen.
Dasselbe Thema findet sich modifiziert in »Es ist schwer, ein Gott zu sein« wieder: Der irdische Beobachter Anton-Rumata hat im außerirdisch-mittelalterlichen Arkanar kaum Verständnisschwierigkeiten (die haben eher seine Vorgesetzten auf der Erde), denn er lebt ja mittendrin. Immer schwerer fällt es ihm aber, ein vorschriftsmäßig unbeteiligter Beobachter zu bleiben, der höchstens mal einen einzelnen Gelehrten oder Dichter heimlich vor der Willkür der dumpfen, jedem eigenständigen Denken feindlichen Machthaber und des viehischen Pöbels retten darf. Hier nun kommt das zweite Thema dieses Romans ins Spiel: die militante Intellektuellenfeindlichkeit. Beileibe nicht nur die in der sowjetischen Gesellschaft, doch von dorther bezogen die Strugatzkis natürlich ihre konkrete Anschauung, ja, sogar den aktuellen Anlass: Die liberale Atmosphäre der Tauwetterzeit hatte Ende 1962 eine erste Abkühlung erfahren, als Chruschtschow, der zuvor ebendieses politische Tauwetter erst ermöglicht hatte, eine Kampagne gegen »Abstraktionismus und Formalismus« in der Kunst lostrat, in der all die alten Kultur-Stalinisten wieder aus ihren Löchern kamen, soweit sie sich überhaupt zeitweise verkrochen hatten. Der Hauptschurke in »Es ist schwer, ein Gott zu sein«, der »Minister für die Sicherheit der Krone«, hieß denn ursprünglich auch Don Rebija, worin unschwer Stalins letzter Sicherheitsdienstchef Berija zu erkennen war – so deutlich, dass selbst sehr wohlmeinende Leute im Verlag die Strugatzkis veranlassten, den Namen wenigstens zu »Don Reba« zu verkürzen.
Zwischen »Fluchtversuch« und dem »Es ist schwer, ein Gott zu sein« erschien 1963 »Der ferne Regenbogen«. Der Roman ist relativ arm an spektakulärer Handlung – Kriege und Abenteuer waren dort von Anfang an nicht vorgesehen –, obwohl er von nicht weniger als einer gesamtplanetaren Katastrophe handelt. Doch auch hier hat sich das eigentliche Thema erst im Laufe der Arbeit herauskristallisiert: Beeindruckt von Stanley Kramers Film Das letzte Ufer wollten die Strugatzkis eine Weltuntergangs-Geschichte schreiben, keine Post-Doomsday-Story von der Sorte, wo der Untergang der Zivilisation nur die Voraussetzung für tolle Abenteuer unter Kriegern und Mutanten ist, sondern eine, wo es wirklich zu Ende geht. Herausgekommen ist ein Buch über die Frage, wie jenes lichte, wolkenlose Utopia des 22. Jahrhunderts auf den unvermeidlichen, rettungslosen
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