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Das singende Kind

Das singende Kind

Titel: Das singende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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als wolle sie anfangen, den Schwan zu tanzen.
    »Es tut mir leid.« Georg räusperte sich und setzte an, das noch mal zu sagen. Trudi drehte sich nicht um. Georg schaute in den offenen Schrank und versuchte, die Unordnung zu übersehen. »Es tut mir leid.« Er streckte die Arme aus, doch er zögerte, Trudi zu berühren. »Eins von den guten Gläsern ist kaputtgegangen«, sagte er und litt im selben Augenblick unter seiner Kleinlichkeit. Er ließ die Arme fallen.
    »Es tut mir leid«, sagte Trudi. Sie hatte den Satz in den sechs Jahren mit Georg oft gesagt. Er fiel ihr leicht.
    »Kommst du?« fragte Georg. »Jos sitzt da und wartet.«
    »Ich komme«, sagte Trudi, »laß mir noch eine Minute.«
    Georg ging in die Küche zurück, und Trudi rückte noch näher an den Schrank, zog die Türen zu sich hin und holte die Teewurst unter ihren Hemden hervor.
    Früher hatte Trudi Hemden aus gerippter weißer Baumwolle getragen, in ihnen das Wachsen ihres Körpers erlebt und allabendlich die Brüste bestaunt, die sich gegen das Kinderhemd drückten. Der Spiegel, vor dem sie dabei stand, hing in der Tür eines Schrankes. Ein eingebauter Schrank, der mit dem Haus verkauft wurde, als ihre Eltern das Land verließen und zwei Zimmer in der Altstadt Nizzas bezogen, in der Hoffnung, das für die letzten Jahre zu erhaschen, was sie sich unter vollem Leben vorstellten.
    An dem Tag, als Trudis Eltern in den überladenen DS 21 stiegen, den vierten ihrer Citroëns, hatte der Vater ihr einen alten Schrank aus Kiefernholz gekauft. Ein schlechter Ersatz für ein verlorengegangenes Elternhaus, doch das einzige große Möbel, das Trudi in die Ehe und in Georg Fortgangs fertige Wohnung brachte.
    Es dauerte nicht lange, daß Trudi anfing, sich zwischen die Türen des Schrankes zu stellen, um die eigene Luft zu atmen. In ihn tat sie alles, was ihr wert war. Doch erst seit Trudi davon träumte, Georg zu betrügen, verbarg sie Fleisch unter ihren schwarzseidenen Hemden.
    Georg schaute auf die zu kleine und zu elegante Omega an seinem Handgelenk. Ein Geschenk seiner Mutter zur Promotion, das er nie hatte leiden können und nicht abzulegen wagte. »Trudi steht seit einer halben Stunde vor dem Schrank«, sagte er.
    »Vielleicht liegt sie längst im Bett.« Jos leerte die zweite Flasche und spürte die Spannung nicht mehr, die von Georg ausging. Er begann allmählich, den Abend für gelungen zu halten.
    »Ich gehe nicht noch mal zu ihr hin«, sagte Georg. Seit Trudis Abgang hatte er sein Glas kaum angerührt.
    »Du hast sie gekränkt«, sagte Jos, »doch nun könnte sie sich abregen. Trudi interpretiert das über.«
    »Trudi interpretiert ihr ganzes Leben über.« Georg wartete auf Widerspruch. Doch Jos ging darüber hinweg.
    »Was ist mit der Dux?« fragte Jos statt dessen.
    »Trudi geht nicht mehr hin. Das hast du doch gehört.«
    »Ich hätte gern die ungekürzte Fassung. Schließlich haben wir alle gedacht, daß Trudi groß rauskommt.«
    »Ich habe die Dux immer für Beschäftigungstherapie gehalten.« Georg schüttelte den Kopf, als Jos die leere Flasche schwenkte. »Du bist schon betrunken«, sagte er und stand auf, um die Gläser vom Tisch zu räumen.
    »Das hat sie tatsächlich gesagt, Trudi habe kein Talent?«
    »Geschrieben«, sagte Georg. Er holte einen Lappen unter der Spüle hervor und drehte den Hahn auf. Das Wasser lief zu heiß aus der Leitung, doch Georg hielt den Lappen drunter und zog ihn erst zurück, als es dampfte. »In einem Brief, den sie ausdrücklich an mich adressiert und Trudi nach der Stunde in die Hand gedrückt hat. Die Dame trocknet aus vor Geiz. Die spart die Briefmarke und auch noch die Spucke, um den Umschlag zuzukleben.«
    »Und dann bringt sie sich um Trudi und deine Schecks?«
    »Ich hatte ihr angekündigt, daß ich Trudi zu einem Test an die Hochschule schicke und als ihre Schülerin vorstelle.«
    »Kann man das?« fragte Jos.
    »Keine Ahnung. Ich fand es nur vernünftig, zu wissen, wie die Dux auf die Ankündigung reagiert.«
    »Du wirst vor lauter Vernunft noch mal den Verstand verlieren.«
    Georg legte den nassen Lappen auf den Tisch, stützte sich auf die Glasplatte und sah Jos an. »Es hat niemals Sinn, sich zu belügen.«
    »Ich habe die eine oder andere Lüge schätzengelernt«, sagte Jos.
    »Trudi hat eingesehen, daß der Traum eine Nummer zu groß war. Hättest du nicht davon angefangen, wäre das Thema durchgewesen.
    »Ich wollte ihr nur einen Schubs geben, den Schritt nach draußen zu tun. Tingeln ist

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