Das spanische Erbe
zeigen, die dieser Mann ausnutzen konnte. Vielleicht gab er es ja auf und fuhr nach Hause.
Aber so viel Glück hatte sie nicht. Als sie die schwere, mit Eisen beschlagene Tür erreichte, war er direkt hinter ihr. “Ich nehme Ihre Einladung gern an”, antwortete er leise. “Aber natürlich nur, wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht.”
“Das ist schon in Ordnung.” Er war ihr so nahe, dass es sie nervös machte. Entsetzt sah sie, dass ihre Hände bebten. Schnell führte sie Ramon Perez ins Haus, doch ihr wurde sofort bewusst, dass dies keine gute Idee gewesen war. Seine Anwesenheit war überwältigend, ja beinahe erdrückend, und plötzlich sah Annalisa die Finca mit ganz anderen Augen.
“Lassen Sie es ruhig, wie es ist”, sagte Ramon, als sie in der Küche den Teller und den Becher in die Spüle stellte.
Annalisa blickte auf und sah ihn an. Der Blick seiner dunklen Augen war unergründlich, und eine kleine Ewigkeit lang betrachteten sie sich schweigend. Schließlich wandte er sich ab und atmete tief durch. “Sie haben Wunder bewirkt, Annalisa. Das Haus sieht jetzt viel wohnlicher aus.”
Also war er schon einmal hier gewesen. Auch wenn sie es ungern zugab, freute sie sich doch über das Lob. Sie hatte alle Renovierungsarbeiten selbst vorgenommen, und er war der Erste, der das Ergebnis zu sehen bekam.
Die Einrichtung war einfach und rustikal. Der Küchenfußboden bestand aus Terrakottafliesen, und in der Mitte des Raumes lag ein großer Teppich in den Farben Creme und Blau. An den Fenstern hingen dazu passende Rollos, und auf den Fensterbrettern standen unzählige Pflanzen und Kräuter in bunten Übertöpfen.
“Was möchten Sie trinken?”, fragte sie und entspannte sich etwas.
“Wasser, bitte.”
Als sie die Gläser aus dem Schrank holte, beobachtete sie Ramon verstohlen. Er ließ die Hand nachdenklich über die Wände gleiten und klopfte manchmal sogar dagegen. Annalisa biss sich auf die Lippe. Er benimmt sich wie ein potenzieller Käufer, dachte sie aufgebracht.
Ramon betrachtete die Decke stirnrunzelnd. “Vor dem nächsten Winter muss das Dach repariert werden”, sagte er schließlich nachdenklich.
“Das weiß ich sehr wohl, Señor Perez”, erwiderte sie ungehalten.
Er lächelte, wurde dann aber gleich wieder ernst. “Das ist mir schon klar. Warum nennen Sie mich nicht Ramon? Señor Perez klingt so formell.”
Es wäre vernünftig gewesen, bei dieser offiziellen Anrede zu bleiben, doch Annalisa hatte auch ihren Stolz. Warum sollte sie ihn nicht bei seinem Vornamen nennen? Er tat es bei ihr ja auch, und sie waren sich doch ebenbürtig! Als sie die Eiswürfel in die Gläser füllte, bemerkte sie, dass ihr die Hände immer noch bebten. Dieser Mann machte sie nervös wie noch nie jemand zuvor! Schnell trank sie einen Schluck und fühlte sich gleich besser. Die kalte Flüssigkeit erfrischte ungemein.
Ramon wartete, bis sie nachgeschenkt hatte, und kam dann auf den Zweck seines Besuchs zurück. “Sie wollten sich mit mir treffen – nun, ich bin da.”
“So nicht”, erwiderte sie erschrocken, “doch nicht hier … und jetzt.”
Ramon Perez warf ihr einen erstaunten Blick zu. Er schien das Wörtchen “nein” noch nie gehört zu haben. “Also gut, ich lade Sie zum Abendessen ein.”
2. KAPITEL
“Z um Abendessen?”, fragte Annalisa verblüfft.
“Warum nicht?” Ramon zuckte die Schultern. “Wie wär’s mit frischem Fisch und einem Gläschen Champagner?”
“Ist es für eine Feier nicht etwas verfrüht?” Verzweifelt suchte sie nach einer guten Ausrede. Mit ihm über die Wasserrechte zu sprechen war ja gut und schön, aber Champagner?
“Zeit ist Geld, Annalisa. Wir müssen beide etwas essen, und dabei können wir genauso gut über Geschäfte sprechen. Oder haben Sie schon etwas anderes vor?”
Was sollte sie antworten? “Na ja …, eigentlich … nein, aber …”
“Also ja?”
Sie zögerte, aber sie musste das Thema einfach ansprechen. “Und was ist mit Margarita?”
Er runzelte die Stirn. “Sie ist gerade in England. Also was ist, kann ich mit Ihnen rechnen?”
“Ich weiß nicht … Sie wird sicher nicht sehr erfreut sein, wenn sie erfährt …”
“Was, zum Teufel, hat Margarita damit zu tun?”, fragte er ungeduldig.
“Sie ist Ihre …”
“Margarita interessiert sich nicht für meine Geschäfte”, unterbrach er sie kalt.
Aha, dachte sie, noch so ein Macho, der etwas dagegen hat, dass seine Frau arbeitet! Sie erinnerte sich wieder an Don
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