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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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erkrankte, bewohnte die königliche Familie im Sommer 1808 ein kleines Gartenhaus – in Hippels Garten auf den Huben –, wo ständig ein Kommen und Gehen war. Sie schrieb mir davon: »Für die Kinder ist es ein Segen – sie kommen täglich und tollen herum. Die Besucher aber fallen mir zunehmend lästig, auch wenn ich nichts sagen will, weil es Friewi so gefällt ... Fast jeden Tag sind sie alle da: die Radziwiłłs, Prinzessin Wilhelm, Gneisenau, Scharnhorst und York, dieser Querkopf! Übrigens hat Friewi eine Kommission ins Leben gerufen, die sämtliche seltsamen Vorfälle des Krieges untersuchen soll – vor allem die Kapitulationen. Ich finde ja auch, dass man da aufklären muss. Es war so viel Dummheit in diesem Aufgeben! Warum mussten sie alle gleich die Waffen strecken (so sagt man doch, oder?)? Etwas mehr Courage und ich langweilte mich hier nicht und läge nicht unpässlich ... Friewi hält eine Rückkehr nach Berlin noch immer nicht für ratsam. August Wilhelm Antonius Graf Neidhardt von Gneisenau und Gerhard von Scharnhorst haben uns die Vorzüge des Kleinen oder Guerilla-Krieges näher- und nähergebracht. Gneisenau reiste in inoffiziellem Auftrag nach England, um mögliche Allianzen in einem künftigen Koalitionskrieg gegen Napoleon zu erkunden. Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Für mein Leben hoffe ich nichts mehr. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, dass die alte sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. Das siehet niemand klarer ein als der König. Auch das Beste und Überlegenste misslingt und der französische Kaiser ist wenigstens schlauer und listiger. Es wäre Lästerung zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte zu begraben. Es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten. Deshalb glaube ich auch nicht, dass der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich glänzenden Thron sitzt. Fest und ruhig sind nur allein Wahrheit und Gerechtigkeit und er ist nur politisch, das heißt klug. Er richtet sich nicht nach ewigen Gesetzen, sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind ... Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt. Ich glaube fest an Gott, also auch an die sittliche Weltordnung. Diese sehe ich in der Gewalt nicht; deshalb bin ich der Hoffnung, dass auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Ist doch alles in der Welt nur Übergang! ... Ach, beste Freundin – kämen Sie doch bald! L.«
    Was sie mir da schrieb, war so brisant, dass ich tatsächlich daran dachte, den Brief zu vernichten. Aber wozu? Ein Glück, dass ihn unterwegs keiner aufgebrochen hatte. Sie schrieb mir stets in einem unscheinbaren Brief als Mantel und dachte sich immer wieder neue Pseudonyme aus: »Frau von König« war das lustigste. Aber ich nach Königsberg fahren? Ich musste innerlich den Kopf schütteln: Wie sollte ich? Woher das Geld nehmen, woher die Zeit? Unsere Fabrik kämpfte ums Überleben. Das Handelsembargo der Franzosen gegen England wurde uns Besiegten jetzt übergestülpt wie eine Glocke. Wir hatten die halbe englische Flotte mit modernsten Sextanten ausrüsten sollen – jetzt ging das Geschäft herunter bis auf null; die Investitionen drohten uns zu ersticken. Preußen hatte keine Flotte, leider, leider ... Irgendwie wünschte ich mir einen Krieg. Als er dann ausbrach – zwischen Frankreich und Österreich –, schien sich das Blatt tatsächlich zu wenden.
    Royal Rocket Troop
1811 wurde unter Kapitän Richard Bogue eine Raketentruppe des englischen Militärs eingerichtet. William Congreve hatte die Raketen entwickelt, die zuerst auf der Spanischen Halbinsel unter Wellington eingesetzt werden sollten. Dieser stand den Raketen ablehnend gegenüber und schickte Bogue mit seiner etwa hundert Mann starken Truppe 1813 nach Dänemark zum Treffen mit der schwedischen Armee unter Bernadotte. Das Training mit der schwedischen Armee gab Gelegenheit, Mängel bei den gelieferten Congreve-Raketen zu beheben. Mit einem Gewicht von etwa 0,45 kg hatte die Waffe annähernd eine Reichweite von 2,2 km. Mit ihren für die damalige

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