Das Testament eines Excentrischen
ich bitte Sie, warum denn? antwortete er in dem mürrischen Tone, der der Unterhaltung mit ihm einen so eigenen Reiz verlieh. Warum wollen Sie mich mit Ihren Glückwünschen belasten, während ich erst im Abreisen bin? Das wird für mich nur eine Gepäcküberfracht zur Folge haben!
– Commodore, wendete einer der Anwesenden ein, fünf und vier ist ein vortrefflicher Anfang…
– Ein vortrefflicher… freilich… vor allem für Leute, die gerade in Florida etwas zu thun haben!
– Bedenken Sie, Commodore, daß Sie über alle Ihre Mitbewerber sofort einen großen Vorsprung gewinnen.
– Ich denke, das ist auch nicht mehr als recht und billig, da ich erst als letzter abreisen kann.
– Ja, doch von dem Ihnen zugewiesenen Felde, Herr Urrican, brauchen Sie nur noch beim Würfeln zehn Augen zu erhalten, um das Endziel zu erreichen, und damit hätten Sie die Partie mit zwei Schlägen entschieden.
– Ja freilich, meine Herren!… Doch wenn ich neun Augen erhielte, wäre das auf dem nächstfolgenden Wurf schon unmöglich, und wären es mehr als zehn, so müßte ich sogar – wer weiß, wie weit? – wieder zurückgehen.
– Immerhin, Commodore, jeder andere würde an Ihrer Stelle sehr zufrieden sein.
– Wohl möglich… ich bin es aber nicht!
– Bedenken Sie doch… vielleicht winken Ihnen sechzig Millionen Dollars bei Ihrer Rückkehr!
– Die hätt’ ich ebensogut eingesackt, wenn das dreiundfünfzigste Feld ein dem unseren benachbarter Staat gewesen wäre!«
Das war ja gewiß richtig, doch hatte Urrican, obwohl er es nicht zugeben wollte, den fünf anderen Partnern gegenüber einen entschiedenen Vorsprung. Von diesen konnte unbedingt keiner das letzte Feld durch den nächsten Wurf erreichen, was dem Commodore doch durch zehn Augen möglich war.
Hodge Urrican verschloß sein Ohr nun einmal vor der Stimme der Vernunft, und selbst wenn er nach einem der Nachbarstaaten von Illinois, nach Indiana oder Missouri, gewiesen worden wäre, hätte er auf jene Stimme doch nicht gehört.
Murrend und heimlich wetternd war der Commodore Urrican nach seinem Hause in der Randolph Street zurückgekehrt. Turk, der natürlich mit ihm ging, machte seinem Groll in so heftigen Ausfällen Luft, daß sein Herr ihm Schweigen gebieten mußte.
Sein Herr?… Hodge Urrican war also Turk’s Herr, obgleich Amerika einestheils die Aufhebung der Sclaverei verkündigt hatte, und anderntheils Turk trotz seines sonnengebräunten Gesichtes doch nicht als Neger gelten konnte?
War dieser also ein Diener des alten Seebären?… Ja und nein.
Erstens bezog Turk, wenn er auch in Diensten beim Commodore stand, keinerlei Gehalt oder Lohn. Wenn er Geld brauchte – das war immer nur wenig – so verlangte er solches, und es wurde ihm gegeben. Man hätte ihn eher einen »Gesellschafter« nennen können, wie man ähnlich von derartigen Damen im Gefolge von Fürstinnen spricht. Die gesellschaftliche Kluft, die Hodge Urrican und Turk trennte, gestattete es indeß nicht, letzteren als Standesgenossen seines Herrn anzusehen.
Turk – sein richtiger Name – war ein früherer Seemann von der Bundesmarine, der immer, als Schiffsjunge, Leicht-und Vollmatrose und als Bootsmann, also von unten auf, in staatlichem Dienste gefahren war. Stets befand er sich dabei, was hier betont werden mag, auf denselben Schiffen wie Hodge Urrican, der im Laufe der Zeit Cadett, Officier, Capitän und schließlich Commodore wurde. Beide kannten sich also gründlich, und Turk war so ziemlich der einzige Mensch, mit dem der hitzköpfige Offizier sich noch leidlich vertragen konnte. Das erklärt sich vielleicht dadurch, daß jener noch aufbrausender war als dieser, dessen Streitigkeiten er zu den seinigen machte, und daß er stets bereit war, denen übel mitzuspielen, die nicht das Glück hatten, ihm zu gefallen.
Bei den verschiedensten Fahrten befand sich Turk häufig in persönlicher Dienstleistung bei Hodge Urrican, der seine Eigenschaften zu schätzen wußte und dem er endlich unentbehrlich geworden war. Als der Commodore dann das Alter erreicht hatte, wo er aus dem activen Dienste scheiden mußte, ging auch Turk, dessen Capitulationszeit abgelaufen war, von der Marine ab, begab sich zu seinem früheren Vorgesetzten und trat unter den uns bekannten Verhältnissen in dessen Dienste. Jetzt versah er schon seit drei Jahren in dem Hause der Randolph Street den Posten eines Verwalters, der nichts zu verwalten hatte, oder also etwa den eines Ehren-Aufsehers.
Bisher sagten wir
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