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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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würde nach drei Tagen im Paradiese eine gräßliche Gotteslästerung verüben, nur um wieder ’rauszukommen und nicht immerfort fromme Lieder singen zu müssen und zwischen alten Betschwestern und Pfaffen und Muckern zu sitzen.«
    Da mußte ich aber doch lachen: »Habe nur ja keine Bange, Stanislaw, wir beide kommen nicht da ’rein. Wir haben ja keine Papiere. Und kannst dich heilig drauf verlassen, die verlangen da oben auch Papiere, Pässe und Taufzeugnisse von dir, und wenn du die nicht beibringen kannst, machen sie dir die Türe vor der Nase zu. Frag nur den Pfaffen, er wird es dir sofort bestätigen. Mußt Heiratslizenz beibringen, kirchlichen Trauschein, Taufschein, Konfirmationsschein, Firmungsschein, Kommunionsstempel und Beichtzettel. Ginge das da oben so glatt ohne Papiere, wie du dir das zu denken scheinst, brauchten die hier unten ja keine ausstellen. Auf die Allwissenheit scheinen sie sich nicht zu verlassen, besser ist es schon, man hat es schwarz auf weiß und ordnungsmäßig abgestempelt. Wird dir jeder Pfaff erzählen, daß der Torwächter da oben ein großes Bund mit Schlüsseln hat. Wozu? Zum Abschließen der Türen, damit nicht doch vielleicht einer ohne Visa über die Grenze schleichen kann.«
    Stanislaw saß eine Weile still und sagte dann: »Merkwürdig, daß ich gerade so drauf komme, aber die ganze Geschichte hier will mir nicht recht gefallen. Es geht uns viel zu gut. Und wenn es einem so ganz ausnahmsweise gut geht, so ist etwas nicht in Ordnung. Ich kann das nicht vertragen. Es ist immer, als ob man auf Mastkur geschickt wird, weil eine besonders schwierige Sache auf einen wartet, die man ohne jene gute Vorbereitung und Erholung sonst nicht bewältigen kann. War bei der K.M. auch so. Immer wenn was Besonderes bevorstand, gab es vorher ein paar gute Tage. War auch so, ehe wir ’rauf nach Skagen glitschten.«
    »Da redest du aber nun einmal richtigen Kohlgulasch«, sagte ich zu ihm. »Wenn dir ein gebratenes Hühnchen ins Maul fliegt, dann spuckst du es wieder aus, nur damit es dir nicht gut gehen soll. Die schwierige Sache kommt ganz von selbst, verlaß dich drauf. Um so besser, wenn du vorher in der Sommerfrische warst. Wenn du eine Mastkur hinter dir hast, dann kannst du die schwierige Sache unterkriegen, andernfalls kriegt sie vielleicht dich unter.«
    »Verflucht, du hast recht«, rief Stanislaw nun wieder gut gelaunt. »Ich bin ein altes Schaf. Ich habe sonst auch noch nie solche blöden Gedanken gehabt. Gerade heute. Es kam mir so, als ich dachte, vorn im Quartier, oder ich muß ja eigentlich sagen: da unten zu unsern Füßen, da liegen die Burschen alle schwimmend hinter der Tür, auf demselben Kasten wie wir. Weißt, Pippip, man soll keine Leiche auf einem Kasten fahren, das bringt den Gast herbei. Ein Schiff ist lebendig, das mag keine Leichen in der Nähe haben. Als Fracht, meinetwegen. Das ist etwas andres. Aber nicht so herumliegende, so herumschwimmende Leichen.«
    »Können wir doch nicht ändern«, sagte ich.
    »Das ist es gerade, was ich meine«, antwortete Stanislaw. »Wir können es nicht ändern. Und das ist das Schlimme. Alle die andern sind abgerasselt. Wir beide sind allein noch übrig. Da stimmt etwas nicht.«
    »Nun will ich dir etwas sagen, Stanislaw, wenn du mit dieser blöden Pinselei nicht aufhörst, dann – nein, ’runterschmeißen will ich dich nicht, wirst es dir ja auch nicht gefallen lassen. Aber dann rede ich mit dir keine Silbe mehr, und wenn ich dadurch meine Sprache verlernen sollte. Dann wohnst du im Steuerbordschacht und ich im Backbordschacht, und jeder geht seine eignen Wege. Solange ich am Leben bin, will ich mir nichts vom Gast vorjaulen lassen. Da habe ich später, wenn es mal so weit ist, noch Zeit genug dazu. Und wenn du nun meine Meinung wissen willst, warum wir beide gerade übriggeblieben sind, so ist das ganz klar und zeigt wieder einmal, wie gerecht alles zugeht in der Welt. Wir gehörten nicht zu der Mannschaft. Wir waren gestohlen. Wir haben der ›Empreß von Madagascar‹ nie etwas getan und wollten ihr auch nie etwas tun. Niemand weiß das so gut wie sie. Das ist der Grund, warum sie uns nicht mitgenommen hat.«
    »Warum hast du mir denn das nicht gleich gesagt, Pippip?«
    »Ja, was denkst du denn von mir, ich bin doch nicht dein königlicher Ratgeber. So etwas weiß man doch von selbst und hat es im Gefühl.«
    »Jetzt gehe ich mich besaufen«, sagte nun Stanislaw. »Ist mir ganz egal. Na, ich will ja nicht sagen besaufen, aber

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