Das verborgene Netz
manipuliert wurde, was mit jeder Minute leichter wäre. Die Erschöpfung hatte sich irgendwo in der Mitte ihres Körpers in totale Kraftlosigkeit verwandelt und sich in alle Richtungen auf den Weg gemacht, um ihre letzten Reserven zu fressen. Bald, dachte sie, wäre sie nicht einmal mehr in der Lage, den Stuhl ohne fremde Hilfe zu verlassen.
Je t'aime, s
agte Mayerhöfers Stimme in ihrem Kopf. Keine vierundzwanzig Stunden später verriet sie Georges Lapierre.
Mayerhöfer schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Nichts, was sich nicht ersetzen ließe.«
»Dann ist es doch keine Liebe.«
»Für mich schon. Fünf wunderschöne, aufregende Jahre, die zu einem faszinierenden Plan geführt haben. Der Plan ist gescheitert, die Liebe wird eine schöne Erinnerung. In der Realität ist sie nicht mehr wichtig. Was nützt sie mir im Gefängnis?«
Louise stützte die Ellbogen auf die Lehnen, legte die Finger an die Schläfen. Sie hatte Mühe, mit Mayerhöfers Tempo mitzukommen. Die Sätze schnell und überlegt, als wären sie lange geplant, die Volten in der Strategie ebenso. Was sie am meisten irritierte, war, dass Mayerhöfer auch nicht ansatzweise wütend, enttäuscht oder verängstigt wirkte. Sie hatte verloren und schien sich nicht daran zu stören.
Selbst in der Niederlage gehörte ihr der Sieg.
»Sie und Georges haben die Operation allein geplant?«
»Mit zwei Partnern von Soleilfrance.«
»Deren Namen Sie nennen werden?«
»Ja.«
»War der französische Geheimdienst involviert?«
»Nicht aktiv. Georges hat gute Kontakte, die DGSE hat Informationen zur Verfügung gestellt.«
»Über GoSolar?«
Mayerhöfer nickte. »Was im Lauf der Jahre über die Abhöranlagen so reingekommen ist.«
»Die Organisation in Deutschland haben Sie übernommen?«
»Ich habe den Grundstein gelegt. Alles Weitere war Steinhoffs Aufgabe.«
»Woher kannten Sie ihn?«
»Ich kannte ihn nicht. Ich habe jemand Geeignetes gesucht und ihn gefunden.« Eigentlich, sagte Mayerhöfer, sei sie skeptisch gewesen. Steinhoff sei ihr zu unruhig gewesen, zu wenig strategisch, zu impulsiv. Aber seine Verbindungen und seine Kenntnis der Branche hätten sie überzeugt. Und allmählich habe die Zeit gedrängt. Die Lage der Solarindustrie in Frankreich werde sich in absehbarer Zeit verbessern. 2006 trete eine neue Einspeisevergütung in Kraft, außerdem sei ein Umweltprogramm in Vorbereitung, das 2009 anlaufen solle. »Soleilfrance musste in Position gebracht werden.«
»Aber mit Solarzellen für Autos?«
»Ein Nischenmarkt im Moment, ja. Aber eben auch ein potentieller Zukunftsmarkt. Auf den Straßen fahren Millionen Autos. Wer da zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt und den richtigen Partnern präsent ist, macht das Geschäft, wer zu spät kommt, ist draußen. Eine einzige Firma, Sunways in Konstanz, beliefert den Weltmarkt, GoSolar beziehungsweise Soleilfrance wäre als zweite dazugekommen. Wir wissen, dass andere Firmen zu ähnlichen
Konzepten forschen. Toyota soll für etwa 2012 ein serienmäßiges Auto planen, das nur von Solarenergie angetrieben wird – über im Dach und in der Karosserie integrierte Zellen.«
»Wie bei ›DriveSolar‹.«
»Richtig.«
» Wäre Sunways Ihr nächstes Ziel gewesen?«
Mayerhöfer wiegte den Kopf hin und her. »Es gab Überlegungen. Aber das wäre schwieriger geworden.«
»Weil es dort keine Annette Mayerhöfer gegeben hätte.«
»Genau.«
»Kennen Sie die richtigen Namen der Maulwürfe?«
»Nicht auswendig. Sie liegen im Safe meines Anwalts, Sie bekommen sie später.«
»Und Willert?«
»Der Plan war gut, aber der Verfassungsschutz war schneller.«
»Wer außer Ihnen und Steinhoff war noch beteiligt?«
»Eine Frankfurter Wirtschaftsdetektei. Reuter Unternehmenssicherheit, geleitet von Wilhelm Reuter und seinem Sohn Mike.«
Ein Büro mit Blick auf den Main also, ein Vater als Geschäftspartner – und ein vermeintlich erfundener Name, der echt war. Sie ließ sich die Überraschung und die Ratlosigkeit nicht anmerken. Wenn Mayerhöfer bei der Vernehmung durch Marianne Andrele alle Beteiligten nannte, standen Mikes Chancen, unbehelligt davonzukommen, schlecht. Mayerhöfer konnte nicht beweisen, dass er für Steinhoff gearbeitet hatte, weil sie ihn nicht persönlich gesprochen hatte. Aber die Maulwürfe würden ihn belasten. Vielleicht, dachte sie, ließe sich mit einem Anruf in Frankfurt das Schlimmste verhindern.
»Wer ist Claude?«
»Der Mann für alle Fälle.«
»Der mich töten
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