PR TB 109 Das Unsichtbare Netz
PROLOG
Metor Harrudam erhob sich von der Bank, als das Signal ertönte.
Die anderen Menschen im Wartesaal, die eben noch eifrig geschwatzt
hatten, verstummten.
Metor lächelte schief, wischte sich die schweißnassen
Handflächen an der Opti-Kombination ab, trat zum Ausgabesektor
des Selection-Computers und nahm die aus einem Schlitz
herausschnellende Stanzfolie entgegen.
Kein Grund zur Nervosität! redete er sich ein. Die
Untersuchung im letzten Jahr ist positiv gewesen, warum sollte es
diesmal anders sein!
Etwas ruhiger geworden, hielt er die Folie straff und las das
Eingestanzte:
Ka/SE - 17.491.807 gen. Sel. Nr. 7.835 B negativ
Metor Harrudam merkte, wie die Stanzfolie vor seinen Augen
verschwamm. Die Umwelt trat lichtjahrweit zurück.
Negativ!
Wie war so etwas möglich? Was hatte die genetische Kondition
geschädigt?
Metor überlegte fieberhaft.
Er hatte außerhalb seiner Wohnung stets eine
Opti-Kombination getragen, so daß eine eventuell vorübergehend
erhöhte Radioaktivität der Atmosphäre keine genetische
Schädigung hätte hervorrufen dürfen.
Er hatte auch nur ausgewählte, radiologisch und chemisch
überprüfte Nahrungsmittel zu sich genommen und stets auf
der vorbeugenden Dekontaminierungsdusche bestanden, die das Amt für
Genetische Planung und Qualifizierung empfahl.
Der Computer mußte einen Fehler gemacht haben!
Er schreckte auf, als sich neben ihm jemand dezent räusperte.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Sir?« Metor
Harrudam blickte in das perfekt ebenmäßig modellierte
Roseplastikgesicht eines kommunalen Dienstroboters.
»Ja«, sagte er zögernd, »vielleicht. Ich
möchte gegen meinen genetischen Qualifizierungsbescheid
Einspruch erheben.«
»Selbstverständlich, Sir«, sagte der Roboter
zuvorkommend. »Wenn Sie einverstanden sind, führe ich Sie
zu dem für Ihren Fall zuständigen Büro. Würden
Sie mir bitte Ihre Qualifizierungsfolie reichen, Sir?«
Metor gehorchte mechanisch.
Während er dem Roboter folgte, wurden seine Wahrnehmungen
wieder klarer. Er hörte das Flüstern, Raunen und Tuscheln
der wartenden Menschen und sah ihre Gesichter. Ihre Blicke wichen ihm
ebenso verlegen wie beharrlich aus.
Einige Minuten später stand er in einem freundlich
eingerichteten hellen Raum dem zuständigen Genetiker gegenüber.
Der Dienstroboter hatte sich diskret zurückgezogen, so daß
die beiden Männer allein waren.
»Bitte, Mister Harrudam, nehmen Sie Platz!« sagte der
Genetiker höflich und wies auf einen bequemen Sessel. »Ich
bin Professor Dr. Arnul Crowen und würde mich freuen, wenn Sie
mich Arnul nennten.«
Metor nahm Platz und versuchte ein Lächeln; er merkte
allerdings, daß es ihm mißglückte. Auch der Versuch,
etwas zu sagen, mißglückte, weil die innere Anspannung
sich wieder vergrößert hatte und ihm die Kehle zuschnürte.
Professor Dr. Crowen lächelte geschäftsmäßig.
Er nahm die Stanzfolie aus Metors Hand und führte sie in den
Aufnahmeschlitz eines Computers ein, dessen Kontrollwand sehr
geschickt von einer Bildtapete getarnt wurde.
Praktisch in der gleichen Sekunde schnellte eine lila Plastikkarte
aus einem anderen getarnten Schlitz.
Crowen hielt sie mit spitzen Fingern.
»Tja«, meinte er bedauernd, »auf Ihrer neuesten
Genkarte steht vermerkt, daß verschiedene Nucleotid-Basenpaare
von insgesamt sieben Chromosomen jeder Test-Keimzelle irreparabel
geschädigt sind. Eventuelle Nachkommen von Ihnen würden
mindestens ein Drittel dieser Defekte erben.«
Metor Harrudam schluckte, räusperte sich und fragte mit einer
Stimme, die er kaum mehr als die eigene erkannte:
»Wie würden sich die Keimzellendefekte konkret
abzeichnen, ähem, Arnul?«
»Erstens dadurch, daß die Anzahl der Herzmuskelfasern
mehr als fünf Prozent unter dem unteren zulässigen Wert
liegen würde - und zweitens
durch eine Begünstigung des Trends zum pyknischen Typ.«
Der Genetiker blickte seinen Besucher freundlich an, dann zuckte
er die Schultern und meinte:
»Leider zielen unsere Tests nicht darauf ab, die Ursachen
von genetischen Defekten festzustellen. Aber falls Sie es wünschen,
werde ich selbstverständlich eine entsprechende Prozedur
einleiten.«
»Das ist nicht nötig, Arnul«, erwiderte Metor
dumpf. »Wann werde ich mich zur Reise melden müssen?«
»Aber ich bitte Sie, Metor!« sagte der Genetiker. »Das
hat doch Zeit. In einem Monat vielleicht. Bis dahin müssen Sie
allerdings die Regeln beachten. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht
zu sagen.«
»Nein,
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