Das verbotene Glück der anderen
sie auf einmal, dass es kein Traum ist. Sie steht erschrocken auf und sieht, wie Unni sie anstarrt. Er nimmt sie in seine starken Arme und küsst sie. Sie ist so verängstigt, dass sie schreit und sich aus seinem Griff zu befreien versucht. Dabei reißt ihr Oberteil an der Schulter ein. Unni lässt sie los und dreht im selben Augenblick durch. Bevor sie wegrennt, sieht sie ihn ganz kurz an. Es ist das letzte Mal, dass sie ihn lebendig sieht. In diesem Bruchteil einer Sekunde sieht sie, wie er dasteht und sie nicht ansieht, sondern mit sanftem Lächeln hinter sie blickt. Sie hat oft über seinen Gesichtsausdruck nachgedacht und ihn zu interpretieren versucht. Aber sie kann ihn nicht deuten.
Sie rennt nach Hause ins Badezimmer, setzt sich zitternd auf den Boden und weint. Sie beschließt, ein Bad zu nehmen. Siefragt sich, wie sie ihrer Mutter den Riss im Oberteil erklären soll. Während sie badet, erfindet sie alle möglichen Ausreden. Dann hört sie plötzlich Männerstimmen, Unnis Name fällt mehrmals, doch sie ist zu verängstigt, um Vermutungen darüber anzustellen, was passiert sein könnte. Was für ein Idiot du bist, Unni, ein echter Idiot.
In ein paar Stunden wird Mythili Unnis Mutter alles über jenen Tag erzählen. Eigentlich will sie ihr jedoch etwas anderes sagen, wenn sie sich nicht zu sehr geniert, und zwar, dass es ihr leidtut, sie im Stich gelassen zu haben. An dem Tag, als Unni starb, hat Mariamma einen Sohn und eine Tochter verloren. Mythili tut es leid, dass sie sich so bequem versteckt hat, es tut ihr leid, dass es so gekommen ist, doch jetzt ist die Tochter zurückgekehrt und wird bis ans Ende ihrer Tage über sie wachen. Das wird sie ihr sagen. Sie hat jetzt die Kraft, es zu sagen.
~
Ousep hat die Geschichte von Unni Chacko längst zu Ende erzählt, und seine Frau hat ihm schweigend zugehört, aber keine Fragen gestellt. Etwas an ihr macht ihm deutlich, dass sie endlich Frieden mit Unni geschlossen hat, und vielleicht glaubt sie sogar, sein Tod sei geklärt. Doch Ousep plant schon den nächsten Tag.
Er wird früh aufstehen und eine Liste der Leute erstellen, die er treffen will – alle möglichen Leute, neue Leute. Was hat Unni gesehen? Was hat Unni gewusst, was konnte einen Jungen dazu bringen, das Glück so zu verachten, sein eigenes ungewöhnliches Glück und das des menschlichen Lebens, das er so banal fand, dass er nur einen einzigen ehrenhaften Grund brauchte,um es von sich zu werfen? Ousep wird die Antworten auf diese Fragen suchen und nie damit aufhören. Seine Suche wird kein Ende nehmen. Was ist so erschreckend an einer Suche ohne Ende?
Ousep hat sich endlich auf die Suche nach dem Sinn begeben. Er ist wild entschlossen, auch wenn er Unni Chacko an einem anderen Ort sieht, wo er sich vor Lachen biegt.
Danksagung
Dieser Roman hat mich zu verschiedenen Menschen in Madras geführt, beziehungsweise in Chennai, wie die Stadt heute heißt. Ich habe dort die ersten zwanzig Jahre meines Lebens verbracht und bin dankbar, dass sie kein Paradies war.
Unter denjenigen, die ich getroffen habe, waren Neurochirurgen und Neuropsychiater. Manche von ihnen waren amüsiert, dass selbst Schriftsteller Fakten zusammentragen müssen, haben mir jedoch ihre Zeit geschenkt. Dr. Krishnamoorthy Srinivas, ein unvergesslicher Patriarch mit acht Füllfederhaltern und einer winzigen Taschenlampe in der Brusttasche, sowie Dr. Ennapadam Krishnamoorthy und Dr. A. V. Srinivasan haben mehr zu dem Buch beigetragen, als sie ahnen.
Ich hatte das Glück, dass mir die besten Lektoren der Welt unerschütterliches Vertrauen entgegenbrachten. Karthika V. K. von HarperCollins India war die Erste aus der Verlagswelt, die befand, meine Romane seien es wert, verlegt zu werden. Roland Philipps von John Murrays. Amy Cherry von Norton. Iris Tupholme von HarperCollins Canada. Joost Nijsen von Podium. Der Roman hat von ihrem bemerkenswerten Auge profitiert und von der Betreuung durch ihre Mitarbeiter, vor allem Shantanu Ray Chaudhuri von HarperCollins India und Joanne Gledhill von John Murrays.
Meine Hauptlektorin ist jedoch jemand, nach dem ich verrückt bin – Anuradha, die den Roman als Erste gelesen hat undihre Beurteilung, wie gewohnt, mit den Worten begann: «Werd jetzt nicht gleich brummig …»
Isobel Dixon von der Literaturagentur Blake Friedmann hat mich in mehrfacher Hinsicht gerettet, was ich ihr nicht immer gesagt habe.
Meine Mutter Kunjamma und meine Schwester Aswathy, die beiden außergewöhnlichen Frauen,
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