Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
zugleich starrte sie ihm nach. Es waren die ersten Worte, die sie je von ihm gehört hatte, aber seine Stimme kam ihr bekannt vor. Sie versuchte, darüber nachzudenken, doch die Schmerzen waren zu heftig. Eigentlich hätte es in diesem frühen Stadium noch nicht so wehtun sollen. Um Atem ringend sank sie auf ihren Stuhl zurück.
Als Bellona das Haus erreichte, fand sie den Einsiedler vor, der dort mit gesenktem Kopf und den Händen in den Hosentaschen an der Wand lehnte. Bei ihrem Kommen hob er den Kopf und sah sie durchdringend an.
Ihre Miene ließ ihn die Hände aus den Taschen ziehen. Er richtete sich auf.
»Was ist?«, drängte er. »Was ist los?«
Bellona wollte einfach an ihm vorbeilaufen. Er streckte die Hand aus, als wolle er sie zurückhalten, ließ sie doch angesichts ihres wütenden Blicks wieder sinken.
Von drinnen kam ein gequälter Schrei, der Bellona wie gelähmt verharren ließ. Ihr schlug das Herz bis zum Hals, als sie die Tür aufstieß.
Die Hütte hatte nur einen einzigen Raum mit einigen wenigen Möbelstücken – ein Tisch, zwei Hocker, ein bequemer Sessel für Melisande, ihr Webstuhl und in der wärmsten Ecke, dicht am Kamin, das Bett.
Dort beugte sich jetzt die Hebamme über Melisande, die sich stöhnend wand.
»Melisande!«, rief Bellona. In ihrer Hast stieß sie einen der Hocker um.
Auf dem Gesicht der Hebamme zeichnete sich Empörung ab.
»Was fällt dir ein, junger Mann, hier einfach so hereinzupoltern? Männer sind bei einer Geburt nicht erlaubt. Raus mit dir, raus!«
Schnalzend, als wolle sie Gänse vertreiben, wedelte die Hebamme mit ihrer Schürze. Sie rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf.
Bellona starrte Melisande an, die jetzt aufgehört hatte zu schreien. Totenbleich lag sie auf den schweißnassen Laken. Ihre Augen waren riesengroß und glänzten.
Obwohl sie die Antwort auf die Frage schon wusste, stellte Bellona diese dennoch. »Ist sie transportfähig?«
»Bist du von Sinnen?«, kreischte die Hebamme. Sie packte die Kriegerin und schob sie ohne Umschweife durch die Tür.
Bellona hörte wieder Nzangias Stimme. Ihr habt das Haus gefunden. Sie starrte zum Wald hinüber, nagte an ihrer Lippe und überlegte, was sie tun könnte.
»Kriegerinnen aus Seth«, bemerkte der Einsiedler. »Wie viele?«
Zunächst wollte Bellona ihn überhören, doch dann wurde ihr die Bedeutung seiner Worte klar. Sie drehte sich um und schaute ihn an. Seine dunklen Augen waren tief umschattet. Das Gesicht unter dem Vollbart war kantig, und nun verfestigte sich sein Kiefer noch mehr.
»Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht«, begann sie. Es kam ihr so vor, als hätte sie ihn schon einmal irgendwo gesehen.
»Oh, doch, das wisst Ihr.« Er warf einen Blick nach Norden, wo vor einem blauen Hintergrund die weißen Gipfel der Berge von Seth zu erkennen waren. »Und Ihr werdet Hilfe brauchen. Wie viele sind es? Zehn? Zwanzig?«
»Ich habe zwölf gezählt«, teilte sie ihm mit, obwohl sie ihn immer noch nicht zuordnen konnte. »Vielleicht auch mehr.«
»Wahrscheinlich. Wo habt Ihr sie entdeckt?«
»Im Wald.« Bellona musterte ihn intensiv. »Drakonas!«, rief sie plötzlich aus. »Der Bote des Königs! Ihr habt uns nachspioniert!«
»Zum Glück, ja«, bestätigte Drakonas kühl. »Sie werden über die Felder kommen, und die Schäfer werden sie für Schafdiebe halten. Geht und warnt die Dorfbewohner. Sagt ihnen, Ihr hättet im Wald Räuber gesehen, dann werden sie die Miliz zusammenrufen.«
Seine Worte gingen in wildem Glockenläuten und dem quäkenden Ton eines Horns unter.
»Feuer!«, rief jemand. »Es brennt!«
Bellona und der Einsiedler schauten in die Richtung, aus der das hektische Läuten drang. Eine Rauchsäule schraubte sich in den Morgenhimmel.
»Die Mühle brennt!«
Der Ruf ging durch das ganze Dorf. Panik breitete sich aus, je lauter alles durcheinander schrie. Schon verdickte sich der Rauch zu einer hässlichen, grauen Wolke, die von orangefarbenen Flammen durchzüngelt wurde.
»Sie haben die Mühle angesteckt«, stellte Drakonas fest.
»Nzangia sagte, die Dorfbewohner würden sich nicht einmischen«, erinnerte sich Bellona.
»Da hatte sie Recht«, erwiderte er finster.
Ein Brand war der Albtraum jeder Gemeinde, vom kleinsten Dorf bis hin zur blühenden Stadt. Im Nu konnten die Träume, Hoffnungen und Leben der Bewohner zu Asche werden und nur verkohlte Trümmer zurückbleiben. Wenn das Feuer in der Mühle sich ausbreitete, konnte nicht nur diese niederbrennen. Auch die
Weitere Kostenlose Bücher