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Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Titel: Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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konnten sie sich ganz auf ihre Liebe konzentrieren. Sie waren einander alles, beschäftigten sich nur miteinander und achteten überhaupt nicht auf ihre Nachbarn. Aber Melisandes Liebe hatte sich verändert, und Bellona spürte das. Es war, als wäre ein feiner Schleier zwischen ihnen niedergesunken, durchscheinend wie das Leid und ungreifbar wie das Glück. Keine noch so tiefe Zuneigung konnte diesen Vorhang heben.
    Melisande war noch von einer zweiten Leidenschaft erfüllt. Sie war fest entschlossen, nach Seth zurückzukehren, um ihr Volk über das wahre Selbst der Meisterin aufzuklären. Diese Entschlossenheit half ihr über ihre Übelkeit, die Erschöpfung, Schmerzen und Angst hinweg. Gemeinsam mit Bellona schmiedete sie Pläne. Jeden Abend redeten sie darüber, was sie tun würden, wenn es Melisande wieder besser ginge und sie reisefähig war.
    Die Nachbarn ließen das junge Paar in Ruhe, auch wenn die alten Frauen Melisande an den seltenen Tagen, da sie aus der Hütte trat, oft befremdet anschauten. Man flüsterte sich zu, wie elend sie aussah, und häufig lag ein Stück Fleisch als Geschenk vor der Haustür, oder jemand kam mit einer kräftigen Brühe vorbei, damit »das arme Ding« ein wenig zu sich nahm.
    Nur einem gelang es, sich mit den beiden anzufreunden, und dieser Mensch war so seltsam, dass seine eigenartige Freundschaft nicht zu zählen schien. Recht plötzlich war das Nachbarhaus zu vermieten. Die früheren Bewohner zogen unerwartet aus, und dieser Mann übernahm das Haus, ein Mann mittleren Alters mit dunklen Augen, einem schwarzen Vollbart und langen, schwarzen Haaren, die schon graue Strähnen aufwiesen. Er blieb für sich, redete mit niemandem und zeigte sehr deutlich, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. So nannte man ihn bald den Einsiedler.
    Der Einsiedler ging nicht zur Arbeit. Niemand wusste, wovon er lebte oder was er den ganzen Tag tat. Bellona traute ihm nicht, denn manchmal merkte sie, wie er ständig ihr Haus fixierte. Sie warnte Melisande vor ihm, und anfangs war diese auch auf der Hut. Doch dann kam der Tag, an dem sie allein war und Wasser aus der Pumpe brauchte. Als sie mit dem schweren Eimer kämpfte, nahm eine starke Hand ihn ihr ab. Der Eremit sagte nichts zu ihr, sondern pumpte das Wasser herauf, trug es zu ihrem Haus und verschwand, ohne ihren Dank anzunehmen.
    Wenn sie danach einmal Wasser brauchte oder Holzscheite oder Hilfe beim Feuermachen oder andere kleine Hilfen, wusste er dies instinktiv und war zur rechten Zeit zur Stelle. Nie sprach er ein Wort und lehnte jeden Versuch, ihn zu bezahlen, ab. Als sie versuchte, ihm wenigstens mit einem frisch gebackenen Brot auf der Fensterbank zu danken, blieb der Laib dort liegen, bis einer der Dorfköter ihn verschleppte. Im Dorf hielt man ihn für stumm, und man munkelte, dass man ihm wegen Blasphemie die Zunge herausgerissen hätte.
    Außer Melisande empfand niemand Sympathie für ihn oder traute ihm.
    »Wenn er mich anschaut, ist so ein Ausdruck in seinen Augen«, erzählte sie Bellona, »als ob er mich verstünde und Mitleid hätte.«
    »Wir brauchen kein Mitleid«, wehrte Bellona diesen Gedanken brüsk ab.
    »Das ist es nicht«, erwiderte Melisande leise. »Ich kann es nicht erklären. Es ist, als ob er alles wusste …«
    Ihre Freundin warf ihr einen scharfen Blick zu. »Du hast ihm doch nichts verraten?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Vielleicht hat dieser Bote des Königs geplaudert. Der, der uns das Geld geben wollte. Ich bin froh, dass du ihn weggeschickt hast. Wir brauchen nichts von diesem Mann.«
    Bellona hörte nicht auf zu reden, obwohl Melisande nicht reagierte. Sie fühlte sich getröstet, wenn sie ihre geliebte Stimme hörte, auch wenn sie häufig nicht auf die Worte achtete. Sie wusste, dass dies Bellona mitunter verletzte, denn sie sah den Schmerz in deren Augen, und es tat ihr weh, die Ursache dafür zu sein. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Sie vernahm nur eine Stimme, die Stimme der Angst, die alles andere untergehen ließ.
    Dann legte sie ihre Nadel weg, lehnte sich zurück und schloss mit einem tiefen Seufzer die Augen. Inzwischen war sie im neunten Monat. Ihr Leib war so umfangreich, dass sie sich nicht einmal mehr ohne Hilfe erheben konnte. Es war so beschwerlich, dass sie schlecht schlief und sich gern halb aufgerichtet an Bellona lehnte, die ihr liebevoll den Rücken massierte und die geschwollenen Füße rieb. Alles, was Melisande aß, schien direkt in ihr Kind zu fließen, denn sie selbst wurde

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