Das verlorene Land
starrte ins Nichts.
Miguel hatte versucht, sich zu entschuldigen. Er wollte ihr sagen, wie leid ihm das alles tat und dass es seine Schuld war, dass es so gekommen war. Aber sie hatte eine abweisende Handbewegung gemacht.
Adam hatte für sie das Wort ergriffen.
»Niemand ist daran schuld, Miguel. Sie nicht und auch nicht Bruder Aronson, der diesen Weg mit ausgesucht hat. Nein, es ist allein Gottes Wille. Es ist auch nicht die Schuld dieser Road Agents, denen wir ausweichen wollten. Das alles ist … der Weg Gottes … aber es ist nicht seine Schuld«, sagte der junge Mann, aber sehr überzeugt schien er nicht davon zu sein.
»Du musst essen«, sagte Miss Jessup. »Wir alle müssen etwas essen.« Sie nahm die gebratenen Rumpsteaks aus der Pfanne, die sie auf die Glut gestellt hatte.
Sie rochen großartig, aber Miguel fühlte sich grässlich, als sein Magen knurrte und ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Das kam ihm unwürdig und falsch vor.
Aber natürlich hatte sie Recht. Sie waren noch immer unterwegs und konnten sich den Luxus nicht leisten, einfach auf eine Mahlzeit zu verzichten, nur weil sie deprimiert waren. Morgen würden womöglich noch härtere Prüfungen auf sie zukommen, und nur die Glücklichen und die Starken hatten eine Chance, zu überleben.
Er nickte Trudi zu, die ihm das Steak mit Hilfe eines langen Spießes reichte. Woher sie den hatte, war ihm ein
Rätsel, denn alle ihre Campinggeräte waren verlorengegangen. Er nahm den Spieß entgegen, und Adam folgte seinem Beispiel, nahm ein zweites Stück und reichte es Marsha. Miguel hatte sich überlegt, dass es wohl allmählich Zeit wurde, sie nicht immer nur als Hure anzusehen. In dem elenden Zustand, in dem sie sich nun befand, sah sie alles andere als verführerisch aus. Miss Jessup gab Sofia ein Stück Fleisch, die es kommentarlos entgegennahm. Ein weiteres Stück bekam der Hund, der es ohne große Zeremonie herunterschlang und mit dem Schwanz gegen Sofias Bein schlug. Miguel war erleichtert, dass sogar Maive an der Mahlzeit teilnahm, auch wenn sie ganz mechanisch kaute und dem Geschmack bestimmt nichts abgewinnen konnte.
Der Sturm hatte zwar nachgelassen, war aber immer noch unangenehm. Glücklicherweise lag die Hütte in einer Kuhle auf der windgeschützten Seite des Hügels, wahrscheinlich aus ebendiesem Grund. Miguel hatte die Erfahrung gemacht, dass das Wetter immer aus einer ganz bestimmten Richtung kam, und die Erbauer dieser Hütte hatten sie sicher aus genau diesem Grund hier errichtet. Dank der Plane vor dem Eingang, die die Wärme im Innern hielt und den kalten Wind und den Regen abblockte, hatten sie es beinahe gemütlich. Aber Miguel musste ständig an die Toten denken, die sie zwei Kilometer entfernt hastig begraben hatten. Er hatte das Gefühl, sie dort einfach alleingelassen zu haben, und er glaubte, dass Adam und Maive genauso dachten und es ihnen wahrscheinlich noch stärker zusetzte. Adam musste sogar zurückgepfiffen werden, als er noch immer nicht aufhören wollte, nach Miss Gray zu suchen, als die Dunkelheit hereinbrach.
Erst das Auffinden eines ihrer Stiefel, in dem noch der Fuß steckte, und ein blutgetränkter Fetzen von ihrem Kleid hatten ihn schließlich davon überzeugt, dass sie tot war und nicht mehr gefunden werden konnte.
Dennoch hatte Miguel sich entschlossen, später, wenn die anderen schliefen, noch einmal nach draußen zu gehen, um nachzuschauen, ob er nicht vielleicht doch noch ihre Leiche bergen konnte.
Ohne Fackeln oder Lampen war es gefährlich, sich in der Nacht herumzutreiben, aber es half nichts. Er würde nicht schlafen können, solange sie verschwunden blieb, auch wenn er innerlich davon überzeugt war, dass sie nicht mehr lebte.
»Morgen früh müssen wir die Herde zusammentreiben.«
Die dünne, emotionslose Stimme überraschte ihn. Er hatte nicht erwartet, dass Maive an diesem Abend überhaupt noch etwas sagen und schon gar nicht, dass sie eine derart banale Angelegenheit zur Sprache bringen würde. Aber manche Menschen taten gerade das, wenn sie einen schweren Schock erlitten hatten.
Miss Jessup schaute Aronsons Frau beunruhigt an, ging sofort zu ihr, setzte sich hin und legte einen Arm um ihre Schultern. Diese einfache Berührung ließ ihren Schutzpanzer zusammenbrechen, und Maive begann schrecklich loszuheulen; es klang viel mehr wie ein tierisches Jaulen, so viel Wut und Schmerz über den unerträglichen Verlust lag darin. Nach und nach verwandelte es sich in ein Schluchzen und sanftes
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