Das Vermächtnis der Eszter
Selbstverständlich glaubte ich ihm kein Wort … Aber dieser Unglaube amüsierte mich. Während Lajos gesprochen hatte, war mir etwas klargeworden, wobei ich diese beruhigende, einfache Wahrheit nicht in zusammenhängende Worte hätte fassen können. Lajos log selbstverständlich auch jetzt … Ich wußte nicht, wie und worin, aber er log. Vielleicht log er nicht einmal mit Worten oder Gefühlen, sondern mit seinem Wesen, mit der Tatsache, daß er, Lajos, auch jetzt nicht anders konnte als sonst. Ich merkte plötzlich, daß ich lachte; ich mußte lachen, aber nicht höhnisch, sondern ehrlich und wohlgelaunt. Lajos verstand es nicht.
»Was lachst du?« fragte er mißtrauisch.
»Nichts. Bitte, sprich weiter.«
»Bist du einverstanden?«
»Ja«, sagte ich. »Womit? Ja, natürlich, ich bin einverstanden«, fügte ich rasch hinzu.
»Gut«, sagte er. »Also … Schau, Eszter, du darfst nicht denken, es könnte etwas gegen dich oder zu deinem Schaden geschehen. Die Dinge müssen in Ordnung gebracht werden, schlicht und anständig. Du kommst mit mir. Nunu auch … vielleicht nicht gleich … etwas später. Éva heiratet. Sie muß ausgelöst werden«, sagte er verschwörerisch leise. »Ich auch … Das kannst du noch nicht verstehen … Aber du traust mir doch?« fragte er ganz leise und unsicher.
»Red nur«, sagte ich ebenso leise und verschwörerisch. »Natürlich traue ich dir.«
»Nur das zählt«, knurrte er befriedigt.
»Glaube ja nicht«, fügte er lauter hinzu, »daß ich dein Vertrauen mißbrauche. Ich will nicht, daß du nur unter vier Augen entscheidest. Ich gehe und hole Endre. Er ist der Freund des Hauses. Er ist Notar, in offizieller Funktion. Vor ihm sollst du unterschreiben«, sagte er edelmütig.
»Was?« raunte ich wie der Kumpan, der bereit ist, das Ding zu drehen, und nur noch Einzelheiten wissen möchte.
»Dieses Dokument«, sagte er. »Dieses Schriftstück, das Handhabe bieten wird, alles zu ordnen, so daß du mit uns kommen und dort leben kannst …«
»Mit dir?« fragte ich.
»Mit uns«, sagte er unsicherer. »Mit uns … In unserer Nähe.«
»Wart noch«, sagte ich, »bevor du Endre heraufholst … und ich unterschreibe … Dieses eine könntest du vielleicht noch klarer sagen … Du willst, daß ich hier alles verlasse und mit dir gehe. So viel habe ich verstanden. Und dann, wie geht es weiter? Wo soll ich leben, in deiner Nähe?«
»Wir haben es uns so gedacht«, sagte er bedächtig und ein bißchen vage, »daß es in unserer Nähe wäre. Unsere Wohnung eignet sich leider nicht … Aber in der Nähe gibt es ein Heim, wo alleinstehende Damen … Ganz in der Nähe. Und wir können uns häufig sehen«, sagte er wohlwollend und ermutigend.
»Ein Armenhaus, nicht?« fragte ich ruhig.
»Armenhaus!« sagte er empört. »Was für ein Wort! Du hörst doch, ein Heim, in dem richtige Damen wohnen … So wie du und Nunu.«
»So wie ich und Nunu«, sagte ich.
Er wartete noch eine Weile. Dann trat er zum Tisch, suchte Streichhölzer und zündete mit einer ungeübten, ungeschickten Bewegung die Stehlampe an.
»Überleg’s dir«, sagte er. »Überlege, Eszter. Ich schicke Endre herauf. Erwäge es gut. Und lies das Dokument durch, bevor du es unterschreibst. Lies es aufmerksam.«
Er holte aus der Innentasche seiner Jacke ein vierfach gefaltetes Papier hervor und legte es mit einer bescheidenen Geste auf den Tisch. Noch einmal musterte er mich mit einem ermunternden, wohlwollenden Lächeln von Kopf bis Fuß, verbeugte sich ein wenig und ging mit raschen, jugendlichen Schritten aus dem Zimmer.
19
Als Endre ein paar Minuten später hereintrat, hatte ich das vertragsähnliche Dokument, mit dem ich Lajos zum Verkauf des Hauses und des Gartens ermächtigte, schon unterschrieben. Es war ein seriöser Vertrag mit vielen juristischen Ausdrücken, mit wortreicher Sachkenntnis formuliert, so wie Testamente und Eheverträge. Lajos nannte das Schriftstück einen »beidseitigen Vertrag«. Der eine Vertragspartner war ich, der andere Lajos, der sich, als Gegenleistung für den Erhalt von Haus und Garten, verpflichtete, »bis zum Lebensende in angemessenem Rahmen« für Nunu und mich zu sorgen. Die Bedingungen dieses »Sorgens« waren nicht näher bezeichnet.
»Lajos hat mir alles berichtet«, sagte Endre, als wir uns an den runden Tisch setzten. »Es ist meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen, Eszter, daß Lajos ein Schuft ist.«
»Ja«, sagte ich.
»Es ist meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam
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