Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Barde ging erneut zum Angriff über, den Listrus parierte. Umgehend musste Derea sich mit einem Satz nach hinten in Sicherheit bringen.
»Du hast mich überrascht, doch jetzt gib auf!«, forderte der Hauptmann der Horden und hielt seine Waffe vor sich. Nicht einmal aneinandergeschmiedet hätten Dereas Klingen die Länge der Waffe erreicht. Gut gelaunt erklärte Listrus daher: »Mit deinem Spielzeug kommst du nicht mehr an mich ran. Leg deine Messer auf den Boden, bevor ich böse werde und dich aufspieße.« Kehlig lachte er auf. »Auch am Spieß könntest du mir noch von Nutzen sein. Weiß nur nicht, ob du daran Spaß hättest.«
Der Barde ließ seine Blicke durchs Zimmer streifen, verwarf dabei einen tollkühnen Angriffsplan nach dem nächsten, kniff endlich die Augen zusammen und zuckte die Achseln. »Vermutlich hast du recht!« Er ging in die Hocke und legte die Schwerter vor sich.
Listrus grinste breit. »Siehst du: Geht doch!«
»Schauen wir mal, ob’s geht.« Mit einem Ruck riss er an dem Fellteppich, auf dem der Hordenhauptmann stand. Der hatte gerade einen Fuß zum Schritt erhoben und kam ins Straucheln. Da stürzte Derea auch schon unter dem Schwert durch gegen die Schenkel seines Gegners. Der taumelte rückwärts, fiel über einen Schemel und stürzte. Sein Hinterkopf knallte gegen die Wäschetruhe. Er stöhnte und schüttelte benommen den Kopf.
Derea hörte Gepolter auf der Treppe, raffte seine Schwerter an sich, kroch eilends zu Listrus, widerstand nur mit größter Willenskraft der Versuchung, dem Hordenhauptmann eine Klinge ins Herz zu stoßen, und rammte ihm stattdessen den Schwertknauf an die Schläfe. Nicht eben rücksichtsvoll zerrte er den Bewusstlosen an sich und legte ihm sein Schwert an die Kehle. Keinen Augenblick zu früh.
»Kommandant!«
Derea, der vor der Truhe und neben dem großen Bett mit Baldachin kauerte, zog es vor, zu schweigen. Schließlich wollte er nicht riskieren, dass die Hauptleute Verstärkung holten.
»Kommandant!«
Er vernahm Gemurmel, verstand allerdings nichts. Jemand machte sich an der Tür zu schaffen. Dann waren polternde Schritte zu hören. Der Riegel brach, die Tür krachte gegen die Wand, und die vier Hordenkrieger stürzten mit gezückten Schwertern ins Zimmer und verharrten bei dem unerwarteten Anblick zunächst mit verwirrten Mienen.
»Lebt er noch?«, wollte einer wissen.
Derea nickte. »Sicher! Legt eure Schwerter nieder, und das bleibt auch so.«
Die vier sahen sich an. Ein Mann mit Glatze gab zu bedenken: »Und woher sollen wir wissen, dass du uns nicht belügst und uns alle tötest, sobald wir unbewaffnet sind?«
»Ich gebe euch mein Wort als Ehrenmann.«
Sein ernster Tonfall brachte die Hauptleute zum Lachen.
Der Glatzkopf grinste breit, als er erklärte: »Na, das ist mal ein Angebot! Weißt du, Kleiner, ich mach dir auch eins: Leg du deine Schwerter weg, und wir lassen dich laufen. Hast unser Wort, dass wir dich nicht aufhalten.«
Derea wackelte mit dem Kopf und brummte dabei, bevor er erwiderte: »Das wird nichts. Ich glaub euch nämlich nicht.«
»Er glaubt uns nicht.« Ein Mann, dessen Mund im schwarzen Bart völlig verschwand, lachte glucksend und verschluckte sich fast.
»Dann hältst du uns also nicht für Ehrenmänner?«, schlussfolgerte der Glatzkopf. »Das ist sehr unhöflich.«
Er wandte sich an seine Kameraden. »Ich fürchte, in diesem Fall können wir auf unseren Kommandanten keine Rücksicht nehmen. Unsere Ehre steht auf dem Spiel.«
Breit grinsend nickten seine Kameraden, fuchtelten mit ihren Schwertern und verteilten sich.
»Komm, Kleiner! Spielen wir!«, forderte der Schwarzbärtige.
»Oh je«, bedauerte Derea, was die vier erneut zum Lachen brachte.
Während die ihren Spaß hatten, verfluchte er die Enge des Zimmers. Derart eingekreist würde ihn Kampfkunst nicht weiterbringen. Unwillkürlich dachte er an die Worte seines Lehrmeisters: Kämpfer, die nur ihren Gegner sehen, stehen allein. Nutze deine Umgebung! Selbst Bäume können zu wertvollen Verbündeten werden. Bäume gab es hier nicht, aber …
»Komm endlich hoch!«, verlangte ein Rothaariger und ließ sein Schwert kreisen. »Zwei jungfräuliche Mädels warten auf uns.«
»Na gut!« Der Barde legte Listrus umständlich ab und verlor augenscheinlich fast den Halt, als er sich hochdrückte.
Ein Blonder, der ganz rechts von ihm stand, kicherte schon wieder. »Ist der …«
Er konnte den Satz nicht mehr beenden, denn ein Nachttopf krachte gegen sein Gesicht,
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