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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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Krieger sollen gut sichtbar ihre Waffen ablegen und mit den Menschen im Gebetshaus die Plätze tauschen.«
    Listrus überlegte: Königin Morwenas Flammenreiter waren neben Fürst Darius’ Adlern die gefürchtetsten Gegner der Horden. Wenn ihr Kommandant hier war, war es unwahrscheinlich, dass weniger als zwei-, eher noch dreihundert Reiter draußen warteten. Es gab keine Möglichkeit mehr, zu siegen oder auch nur zu entkommen! Sie konnten sich ergeben oder sterben. Das Schicksal seiner Männer war ihm gleichgültig, sein eigenes nicht. Sollte er ablehnen, würde das Gesicht über ihm das letzte sein, das er auf Erden sah. »Ihr werdet auch mich nicht töten? Ich habe Euer Wort?«
    »Ihr habt mein Wort.« Derea war stolz, die Worte ohne hörbare Gemütsregung hervorgebracht zu haben, denn jedes Mal, wenn er seinen Gefangenen ansah, spürte er dessen feuchtwarme Hände und sah dessen glasigen Blick.

    Die Familie des Hauses kauerte Hand in Hand in der Ecke beim Hausherrn und blickte ihnen entgegen. Ihr Ausdruck wechselte von Furcht zu Unglauben und dann zu Erleichterung, schließlich zu Begeisterung, als sie Listrus’ gefesselte Hände bemerkten. Der Barde ging hinter ihm und drückte ihm ein Schwert in den Rücken.
    »Bei Haidar«, stieß der Hausherr hervor, sprang ungestüm hoch und starrte den jungen Mann an. »Was hat das zu bedeuten? Das muss ein Traum sein. Wo sind die Hauptleute? Ihr seid doch kein Barde. Wer seid Ihr?«
    »Die Hauptleute sind tot, und ich bin Derea Far’Lass, Kommandant der Flammenreiter. Geht aus dem Weg! Noch ist es nicht vorbei.«
    Er war die ungläubigen Gesichter der Menschen, die nur von ihm gehört hatten, seit Jahren gewöhnt. Mittlerweile war es ihm fast gleichgültig, dass er jünger wirkte, als er war, und nach den aufbauenden Worten seines Adjutanten Remo aussah wie ein Tanzmädchen. Dass er allein deswegen von Fremden unterschätzt wurde, hatte ihm schließlich unzählige Male und auch heute wieder das Leben gerettet. Außerdem war es letztlich auch sein Aussehen gewesen, das ihn zu einem der gefürchtetsten Schwertkämpfer der Reiche hatte werden lassen, denn früh hatte er gelernt, dass man mit annähernd mädchenhaften Zügen nur dann nicht verspottet wurde, wenn man besser kämpfen konnte als die jungen Männer, die so tüchtig waren, dass ihnen sogar Bärte wuchsen.
    Er schob Listrus zur Tür. »Gebt Eure Anweisung und vergesst nicht: Ein Fehler, und Ihr sterbt als Erster!«
    Hinter sich hörte er die Höfler lachen, weinen, trösten und durcheinanderreden.
    Die Anweisungen wurden schnell gegeben und schnell ausgeführt. Auch die Krieger der Horden verspürten offensichtlich keinen Drang, sich mit den Flammenreitern anzulegen, zumindest nicht, wenn sie sich hoffnungslos in der Unterzahl wähnten. Das Gebetshaus wurde geöffnet, und der Jubel der befreiten Dienstleute kannte keine Grenzen, als sie sich, dem sicher geglaubten Flammentod entronnen, in die Arme fielen. Im Höllenlärm ging sogar das Gebrüll der Säuglinge unter.
    Der Hof glich schell einem Tollhaus. Steine und Unrat prasselten genauso wie Beschimpfungen, Flüche, Hohn und Spott auf die Hordenreiter nieder, als diese ihre Waffen niederlegten und ins Gebetshaus schlichen. Jede Heiterkeit war verschwunden. Betrunkene Kameraden, die nicht mehr wussten, wo sie waren, wurden unwillig mitgeschleift, und an den gesenkten Häuptern derer, die noch aufrecht gehen konnten, konnte man erkennen, dass viele am Erbarmen ihrer ehemaligen Opfer zweifelten. Kaum war der Letzte verschwunden, als die Tür verrammelt wurde. Johlend tränkten die vor diesem Schicksal gerade Geretteten die Holzwände mit Öl.
    Derea atmete erleichtert durch, schickte den Hauptmann der Horden mit dem Schwertknauf erneut ins Reich der Träume und unterbrach den Hausherrn, der bereits zu einer Dankesrede angesetzt hatte. »Ja, ja! Bringt lieber Eure Leute zur Besinnung! Es wird hier kein Feuer geben!«
    Der Hausherr musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen und räusperte sich. »Warum sollen sie am Leben bleiben? Jeder tote Hordenreiter bringt uns dem Ende des Krieges näher.«
    »Sie sollen brennen!«, kreischte sein Sohn und stampfte mit den Füßen. »Diese feigen Mörder müssen brennen!«
    Dereas Augen ruhten weiter auf dem Hausherrn, verengten sich jedoch.
    »Ich bin es nicht gewohnt, Befehle zu wiederholen oder gar zu besprechen. Geht und macht Euren Leuten klar, dass jeder unweigerlich des Todes ist, der es wagt, sich an unseren Gefangenen

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