Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Löffel in den Mund. »Aber ja doch! Ich hoffe, Ihr mögt den Geschmack von Minze. Großmutter nimmt immer reichlich davon zum Würzen. Für mich ist das jetzt wie in Erinnerungen schwelgen. Meine ersten Lebensjahre habe ich weitgehend bei ihr verbracht, bis Mutter mich mitnahm und ihre Kräfte in die Dienste Maluchs stellte. Wenn mir in der Zwischenzeit etwas gefehlt hat, dann war es dieser wunderbare Geschmack nach frischem Minzkraut und Großmutters hervorragende Haferplätzchen. Davon bekommt Ihr auch eins, wenn Ihr zunächst den Eintopf brav aufesst.«
Der Hauptmann kaute und schluckte, weil ihm gar nichts anderes übrig blieb, nahm den Geschmack gar nicht wahr, hörte ihrem Gerede kaum zu und hing seinen eigenen durchweg düsteren Gedanken nach.
»Ihr habt alles aufgegessen. Möchtet Ihr jetzt ein Plätzchen zur Belohnung?« Ihre Stimme klang ausgesprochen munter.
»Nein!«
»Nicht? Ihr wisst gar nicht, was Euch entgeht. Sie sind ganz frisch und knusprig. Diesen Genuss werdet Ihr vielleicht nie wieder erleben können.«
Sie sah seine versteinerte Miene, lachte fröhlich auf und drehte sich zu Ihrer Großmutter um. »Was meinst du? Ist er schon wieder so weit hergestellt, dass ich mich ans Werk machen kann?«
»Ich denke doch, mein Kind. Er ist zäher, als er aussieht.«
Juna brachte die Schale zum Tisch und kam mit seinem Dolch zurück. »Ja, das ist er.«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und ließ den Dolch geschickt zwischen ihren Fingern hin und her wandern. »Man unterschätzt Euch schnell, Hauptmann. Nun, ich weiß es jetzt ja besser. Seid Ihr aber auch so widerstandsfähig, wie ich denke?«
»Ich habe keine Ahnung, was Ihr so denkt«, entgegnete er matt.
Sie fuhr spielerisch mit der Klinge über seine Wangen. »Habt Ihr etwa Angst, mein Prinz? Sehe ich da Schweiß auf Eurer Stirn?«
Da er keine Antwort gab, seufzte sie auf, zuckte die Achseln und fuhr fort: »Irgendwelche Wünsche, wo ich anfangen soll?«
Derea starrte sie weiterhin nur schweigend an, woraufhin sie ein dunkles Lachen hören ließ. »Dann beginne ich zunächst bei den Beinen und arbeite mich nach oben durch.«
Er schloss die Augen und biss die Zähne in Erwartung des Kommenden zusammen.
Eine Zeitlang hörte er nur ihr leises Lachen, dann spürte er, wie sie die Fesseln durchtrennte. Verwirrt öffnete er die Augen wieder und sah sie fragend an.
»Oh, Hauptmann, wofür haltet Ihr mich eigentlich? Ich bin eine Hexe, ich benötige weder Fesseln noch Messer. Ich könnte Euch die größten Schmerzen zufügen, ohne auch nur in Eure Nähe zu kommen, und Ihr könntet nicht das Geringste dagegen tun.«
»Wozu denn dann die Fesseln?«, fragte er mit belegter Stimme.
»Ja, wozu wohl? … Ihr habt Euch im Fieber hin und her geworfen. Das hätte der offenen Wunde geschadet, und wir konnten Euch schließlich nicht die ganze Zeit über festhalten. Die Fesseln waren zu Eurem Schutz, nicht zu unserem.«
Er wurde immer verwirrter. Irgendwie ergab nichts von dem, was sie sagte oder tat, einen Sinn. »Was treibt Ihr für ein seltsames Spiel, Juna? Erst bringt Ihr mich hierher, kümmert Euch um meine Wunden und dann … Warum?«
»Sagt mal, Hauptmann, habt Ihr ernsthaft angenommen, ich hätte Euch fast einen Tag lang und mehr als die Hälfte der Nacht durch den Wald geschleppt, nur, um Euch hinterher zu Tode foltern zu können? Dafür seid Ihr mir nun doch zu schwer. Ich konnte danach kaum noch einen Becher anheben. Und in den letzten zwei Tagen und Nächten habe ich Euretwegen kaum ein Auge zugetan.«
»Ihr habt gar nicht die Absicht, mich zu töten?«
Sie schüttelte lachend über seinen ungläubigen Tonfall den Kopf. »Im Augenblick jedenfalls nicht, aber Ihr solltet mich in Zukunft besser nicht mehr sosehr reizen.«
Erleichtert atmete er erst einmal tief durch und entspannte sich ein wenig. »Ihr habt mich doch ganz bewusst die ganze Zeit in dem Glauben gelassen, dass Ihr genau das wolltet. Hattet Ihr viel Spaß, Hexentochter?«
»Ja, sehr viel sogar!« Sie kicherte fröhlich und blinzelte ihn vergnügt an.
»Außerdem hattet Ihr das verdient, nachdem Ihr Euch so hartnäckig geweigert habt, mir die Kette abzunehmen. Wie Ihr sehen könnt, trage ich sie nicht mehr, und Ihr seid trotzdem, eher gerade deshalb noch am Leben. Wollt Ihr jetzt nicht vielleicht doch ein Plätzchen? Sie sind frisch so ganz besonders lecker.«
Fast gegen seinen Willen lachte er auf. »Ja, gebt schon her!«
Er war dann doch ziemlich erschüttert, dass
Weitere Kostenlose Bücher